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Die Mariahilfer Straße wird nicht nur in ihrem Kernstück zur Fußgängerzone, Teile von ihr werden auch zu sogenannten Begegnungszonen. Nun begegnet einem ja viel in der Stadt: Vom plötzlich am Weg auftauchenden Hundstrümmerln über eine am Boden sitzende Punk-Versammlung samt Tieranhang oder dem einen Bettler, der nicht gehen kann und ein paar Stunden später die Lindengasse entlang spaziert, bis zu freundlichen Mistküblern und Kranfahrern, die gerade eine Abrissbirne in ein Haus schleudern und die Sicht auf das delongierte Wohnzimmer eines Fremden freigegeben. Diese täglichen Begegnungen kommen im Grunde in Frieden. So wie die Häuser der Begegnung sind sie von Natur aus friedfertig und laufen in kontrollierten Bahnen ab. Selbst das Hundstrümmerl lässt zumindest Platz für ein Ausweichmanöver. Der Gehsteig ist für Fußgänger da, die Straße für Autos, der Fahrradweg für Fahrradfahrer.
In den neuen Begegnungszonen finden diese Errungenschaften der urbanen Zivilisation ein jähes Ende. Hier trifft Puppenbuggy auf panzerähnlichen Geländewagen, Fahrrad auf Bobbycar und Fußgänger auf Lieferwagen. Hier gibt es keine Ampeln, keine Regel, keine Verkehrszeichen - hier herrscht Anarchie. Und wo Anarchie herrscht, gilt nur ein Gesetz: das Gesetz des Stärkeren. Dann heißt es standhaft bleiben für Klein-Marie und ihren Puppenbuggy, wenn sie dem zweieinhalb Tonnen schweren SUV in der Begegnungszone in die Quere kommt.