Kurzschlusshandlungen verzweifelter, meist sehr junger Mütter enden für das Neugeborene oft tödlich - jedes zweite weggelegte Baby überlebt nicht. Experten sehen in der Einrichtung von Babyklappen und anonymer Geburt auch für Österreich eine Lösung des Problems. Angelehnt an Hamburger Beispiele gibt es Vorstöße in Wien, Niederösterreich und der Steiermark. Doch anders als in Deutschland gilt es in Österreich, noch eine große Hürde zu überwinden - die §§ 82, 197 und 198 des Strafgesetzbuches. In einer Parlamentarischen Enquete, die sich dieses Themas annahm, versuchten Experten am Freitag, rechtliche und faktische Fragen zu klären.
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Seit 8. April wurden in Hamburg bereits zwei Babyklappen eröffnet. Müttern in Not wird es ermöglicht, ihren Säugling anonym und ohne Angst vor einer Strafverfolgung abzugeben und das Baby medizinisch versorgt zu wissen. Nach acht Wochen wird ein Adoptionsverfahren eingeleitet. Seither habe es, so der Geschäftsführer des Projekts "Sternipark", Jürgen Moysich, keine Kindesaussetzung mehr gegeben.
Zivilrechtlich sei das Instrumentarium der Babyklappen beherrschbar, meinte Perdita Kröger vom Justizministerium Berlin. Was das Strafrecht betrifft, könnte nur theoretisch eine Strafbarkeit der Mutter wegen Entziehung von Minderjährigen, Personenstandsfälschung oder Verletzung der Unterhaltspflicht relevant werden. Wer eine Babyklappe in Deutschland einrichtet, mache sich nicht strafbar.
Univ.Prof. Frank Höpfel (Uni Wien) betonte: "Das geltende Strafgesetzbuch kennt die Tatbestände der ,Aussetzung´ und des ,Im-Stich-Lassens hilfloser Personen´" (siehe unten). Für denn Fall, dass das Kind einer Einrichtung übergeben wird, die geschaffen wurde, um Frauen zu helfen, müsse man dementsprechend eine Strafbefreiung normieren.
Höpfels Vorschlag bis zu einer solchen Änderung: "Auf die bestehende Möglichkeit einer ,Strafbefreiung wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat´ zurückgreifen." (§ 42)
Michael Stormann vom Jusitzministerium sieht bei der anonymen Geburt Probleme im Bereich des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit dem Krankenanstaltengesetz. Hier wären rechtliche Ergänzungen wünschenswert.
Univ.Prof. Werner Grünberger von der Krankenanstalt Rudolfsstiftung betonte, dass viele der anonymen Kinder von Jugendlichen geboren werden und forderte die vier Parlamentsparteien auf, zusammen zu halten, um bald die anonyme Geburt ermöglichen zu können. Auch mahnte er die Schaffung eines anonymen Mutter-Kind-Passes ein, um die notwendige Betreuung sicherstellen zu können.
FPÖ: Für die sofortige Einrichtung von Babynestern
In der anschließenden Debatte forderte die FPÖ die sofortige Einrichtung von sogenannten "Babynestern", um schon bald ungewollte "Neugeborene retten zu können", so Generalsekretärin Theresia Zierler.
ÖVP: Großes Problem für ländliche Regionen
Die ÖVP-Abg. Edeltraud Gatter sieht ein Problem für ländliche Regionen. Hier sei eine "große Hürde zu überwinden, um das Kind in die Stadt zu bringen".
Für SPÖ und Grüne steht die Einführung der anonymen Geburt und psychologische Betreuung im Vordergrund. Vor allem sei es eine große Herausforderung, junge Mädchen gar nicht erst in eine solche Situation kommen zu lassen, betonte die ehemalige Frauenministerin SPÖ-Abg. Barbara Prammer. Schon im Vorfeld müsse es wesentliche Hilfestellungen für die Mütter geben, "um Kurzschlusshandlungen zu vermeiden".
Die Kinder sollten bereits im Volksschulalter aufgeklärt werden, denn sie müssten lernen, nein zu sagen, betonte SPÖ-Gesundheitssprecherin Elisabeth Pittermann. Sie erinnerte auch daran, dass ebenso die Väter Mitverantwortung zu tragen hätten.
SPÖ: Ambulanzgebühr an dieser Stelle kontraproduktiv
Weiters wies Pittermann auch auf die von der Regierung ab 2001 eingeführte Ambulanzgebühr hin, die sich für die hier gewünschte Lösung als kontraproduktiv erweisen könnte.
Grünberger, der auch die "First-Love"-Ambulanz leitet, betonte an dieser Stelle, dass in der Rudolfsstiftung von Jugendlichen, die Beratung und Hilfe suchen, keine Gebühr eingehoben werde.
Grüne für österreichweiten sozialen Notruf - gratis
Auch Grün-Abg. Kurt Grünewald meinte, die Politik könne das Vorfeld des Problems nicht ignorieren. Die soziale Situation der Mütter dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Von dieser Seite kam auch die Forderung nach einem österreichweiten sozialen Notruf, der gratis erreichbar sein müsse.
Einig waren sich die Politiker und Experten darin, Internetberatung und Öffentlichkeitsarbeit auszubauen.