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Bahnticket geht unter die Haut

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Wirtschaft

Bahn bietet statt Fahrscheine Handimplantate, 2000 Passagiere haben sich den Chip schon einspritzen lassen.


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Stockholm. (ce) Die Schweden gelten traditionell als unerschrocken, wenn es um die Adaption neuer Technologien geht. Mit Internet, Smartphones und intelligenten Armbanduhren rückt diese immer näher an den Menschen und bisweilen auch in ihn hinein. Wer derzeit mit der staatlichen Schwedischen Bahn SJ durch das Königreich fährt, wird vor allem in der Businessclass Reisende sehen, die nicht mehr umständlich Fahrscheine hervorkramen. Stattdessen heben sie nur die Hand Richtung Kontrolleur. Man könnte meinen, dass sie auf einen Handkuss warten. Stattdessen wird ein kleines Handimplantat mit einem Fahrscheinscanner abgelesen.

"Knapp 2000 Reisende haben schon einen solchen Chip. Das Interesse ist groß", sagt Lina Edström von der Bahn der "Wiener Zeitung". Laut SJ ist Schwedens Bahn die erste weltweit damit. "Viele Reisende finden das supercool. Wir glauben, dass hier die Zukunft liegt", sagt sie.

Der reiskorngroße Chip wird Bereitwilligen vom privaten Bahnkooperationspartner Biohack mit einer groben Spritze auf die Oberseite der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger geschossen. Wahlweise kann auch die Handkante unterhalb des kleinen Fingers als Chipplatz genutzt werden. Die Reisenden können sich danach eine Bahn-App aus dem Internet auf ihr Smartphone herunterladen. Dort geben sie ihre Bahnkartennummer ein. Die wird dann vom Handy auf den Chip in der Hand gesendet. Die Chip-Technologie wurde bisher zur Identifikation von Haustieren wie Hunden und Katzen genutzt.

Implantat kostet 150 Euro

Ob das nicht in Richtung völliger Überwachung führt? "Nein, wir speichern ausschließlich die Bahnkartennummer in den Händen der Fahrgäste. Aus der Hand wird ansonsten keine andere Information gesendet. Auch können Scanner nur direkt an der Hand den Chip ablesen. Das Signal reicht nicht weit", beruhigt Lina Edström.

Das Implantat kostet derzeit 1500 Kronen (150 Euro). Edström hat sich auch selbst einen Chip eingespritzt.

Bei immer mehr schwedischen Arbeitgebern ersetzt er auch die Passier-, Drucker und Kopiererkarten. "Auch in meinem Fitnessstudio melde ich mich über die Hand an. Das ist praktisch, man muss nicht mehr so viele Karten herumtragen", sagt sie.

Selbst spritzen erlaubt

Die Auflösung der Grenze zwischen Körper und Computer durch die Verpflanzung von Chips hat sich auch der Stockholmer Verein Bionyfiken (Bioneugierig) zum Ziel gesetzt. Die Chips können im Internet bestellt werden, mit steriler Spritze. Das schwedische Gesetz erlaubt es den Bürgern, das Einspritzen des Chips unter die Haut daheim im Badezimmer vorzunehmen. Doch das empfiehlt Hannes Sjöbad von Bionyfiken nicht. "Wenn Unternehmen uns anrufen, weil sie die Belegschaft mit Chips ausstatten wollen, gehen wir da hin mit unserem Piercing-Experten. Der spritzt die kleinen Dinger in die Hände", sagt der Jungunternehmer. Es sei besser, dies von jemandem machen zu lassen, der sich auskenne.

"Und Piercing-Studios sind perfekt. Die gibt es in jeder Stadt", sagt er. Einen ganzen Bürokomplex im Stockholmer Stadtzentrum hat sein Verein so ausrüsten lassen, dass sich Türen und Kopiermaschinen und bald auch das Rabattsystem in der Cafeteria über den Chip in der Hand steuern lassen.

Kaum Vorbehalte

Die Schweden haben in ihrer Geschichte wenig staatliches Unrecht erlebt. George Orwells düsterer Zukunftsroman "1984" ist für sie einfach Science Fiction. Deshalb gibt es in Schweden wenig Vorbehalte gegen gläserne Bürger. Bereits heute sind Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Vorstrafenregister wie auch Adressen, Handynummern und zahlreiche weitere Informationen über Privatpersonen im Internet nahezu frei abrufbar. Auch über den Nachbarn.