Ungarns neuer Premier baut um. | Budapest. Die wichtigste Veränderung im politischen Gefüge Ungarns war Dienstag schon keine Sensation mehr. Das Parlament in Budapest wählte den parteilosen Gordon Bajnai im Wege eines konstruktiven Misstrauensvotums erwartungsgemäß zum neuen Ministerpräsidenten. Die Abstimmung war notwendig geworden, nachdem Bajnais Vorgänger Ferenc Gyurcsány am 21. März erklärt hatte, er werde als Premier zurücktreten, um Reformen nicht im Weg zu stehen.
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In der parlamentarischen Aussprache betonte der scheidende Premier Gyurcsány, Ungarn mangele es vor allem an Wettbewerbsfähigkeit. Bajnai sagte, das Misstrauensvotum markiere das Ende der Krise. Seine Regierung sei als Kabinett von Krisenmanagern angelegt. Dabei habe die Stabilisierung der Währung Vorrang. Die Landeswährung verlor zwischen Juni und Mitte März 40 Prozent an Wert.
Bajnai genießt die Unterstützung von Sozialisten und Liberalen, findet bisher jedoch keine Unterstützung bei der rechtskonservativen Opposition. Tibor Navracsics, Fraktionsvorsitzende der führenden Oppositionspartei Fidesz, forderte Bajnai auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen. Im Vorfeld der Abstimmung demonstrierte dafür auch das der Fidesz zuneigende Forum für Bürgerlichen Zusammenhalt vor dem Parlamentsgebäude.
Am Morgen war bekannt geworden, wer dem Bajnai-Kabinett angehören soll. Bajnai selbst hatte schon am Freitag erklärt, seine Personalliste sei fix.
Der Regierung sollen wie der vorhergehenden 15 Minister angehören, dabei verzichtet Bajnai bemerkenswerterweise auf jede weibliche Unterstützung. Dem letzten Gyurcsány-Kabinett gehörten mit Außenministerin Kinga Göncz und Sozial- und Arbeitsministerin Erika Szücs zumindest zwei Frauen an. Göncz, die sehr beliebt ist, aber als inkompetent gilt, will bei den Europawahlen im Juni ein Abgeordnetenmandat erlangen.
Den steilsten politischen Aufstieg innerhalb des Kabinetts legt der bisherige Energieminister Csaba Molnár hin, der überhaupt erst seit Dezember Ministerrang hat. Er soll Kanzleramtsminister werden. Molnárs Ressort, von Bajnai als Schlüsselposition bezeichnet, soll der 57-jährige Péter Honig führen, der unter Ex-Premier Viktor Orbán zwei Jahre Staatssekretär war.
Insgesamt sechs neue Minister sollen der Bajnai-Regierung angehören, dabei richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf die angehenden Minister für Finanzen und Wirtschaft. Der glücklose Finanzminister Janos Veres soll durch den erst 36-jährigen Péter Oszkó abgelöst werden, der zurzeit Topmanager bei der Unternehmensberatung Deloitte ist.