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Bajramaj, die Vorzeigemigrantin

Von Alexander U. Mathé

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Sie wuchs als Flüchtlingskind aus dem Kosovo in Deutschland auf - heute ist sie ein echter Fußballstar.


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Alles begann damit, dass Fatmire Bajramaj schnell rennen konnte. Das half ihr, Prügel zu vermeiden. Als Flüchtlingskind aus dem Kosovo sah sie sich gemeinsam mit ihrem Bruder oft einmal einer Horde von Glatzköpfen gegenüber, die den Geschwistern ans Leder wollten. Da half nur eines: schnell laufen.

Schon bei der Ankunft in ihrer neuen Heimat Mönchengladbach im Jahr 1993 wurde die fünfjährige Fatmire nicht generell mit offenen Armen empfangen. "Zigeunerin!" war nur eine der Freundlichkeiten, mit denen sie bedacht wurde. Im Kindergarten wollte niemand mit der Ausländerin spielen. Doch das sollte sich ändern. Wieder war es ihre Schnelligkeit, die ihr dabei half.

Von den anderen Kindern ausgegrenzt, begann sie mit ihren Brüdern und deren Freunden Fußball zu spielen. Und siehe da: Der wieselflinke Dreikäsehoch stach die Burschen schon bald aus. Das gefiel ihr - brachte es ihr doch die Anerkennung, die ihr sonst verwehrt blieb. Anerkennung, die ihr schon bald auch in der Volksschule zuteil wurde.

Denn da war sie auf einmal heiß begehrt und wurde, wenn Fußball auf dem Stundenplan stand, als Erste ausgewählt. Noch vor den anderen Burschen in ihrer Klasse.

Mit ihrem Talent erregte Bajramaj schon bald das Interesse der lokalen Fußballvereine. So spielte sie alsbald für den VfL Giesenkirchen und den FSC Mönchengladbach. Mit 13 Jahren wurde sie deutsche Staatsbürgerin. Im Alter von 16 Jahren war bereits die halbe Bundesliga hinter der begnadeten Fußballerin her, und als 17-Jährige wurde sie in die deutsche Frauen-Nationalmannschaft einberufen.

Ab diesem Zeitpunkt hörten auch die rassistischen Anfeindungen des Publikums auf. Heute, nach dem gewinn der Weltmeisterschaft, der Europameisterschaft und des Uefa-Cups, gilt Bajramaj für viele Deutsche als Musterbeispiel an Integration.

Für viele Mädchen ein Idol, engagiert sich der Fußballstar in Klassen mit hohem Ausländeranteil. Dort macht Bajramaj den Kindern mit ihrem Beispiel Mut. Die Vorstellung, dass man es mit einem starken Willen auch als Flüchtling ganz nach oben schaffen kann, versucht die Sportlerin auch in ihrer Autobiographie zu vermitteln. Der Titel: "Mein Tor ins Leben: Vom Flüchtling zur Weltmeisterin."

Darin beschreibt Bajramaj die Flucht ihrer Familie aus dem Kosovo, weil diese die Unterdrückung durch die serbischen Behörden nicht mehr ertrug. Ohne Visum, ohne Habe schaffte sie es mit einer Schlepperbande, die ihr letztes Geld kassierte, nach Deutschland. Dort musste die kleine Fatmire zunächst ihre Fußballleidenschaft vor ihrem Vater verstecken. Der glaubte nämlich, dass seine kleine Prinzessin Tänzerin würde. Als er ihr durch Zufall auf die Schliche kam, überzeugte ihn die Tochter mit ihrem Willen und nicht zuletzt mit ihrem Talent.

Dieser unbedingte Wille, es zu schaffen, es den anderen zu zeigen, ist Bajramajs Erfolgsgeheimnis. Den will sie an die nächste Migrantengeneration weitergeben. Und durch ihn hat sie sich in widrigen Situationen durchsetzen können. So ist sie als Frau in einer Männerdomäne erfolgreich. Trotzdem betont sie ihre Weiblichkeit, schminkt sich sogar zum Training oder tritt in Stöckelschuhen zu Torschusswettbewerben im Fernsehen an.

Bajramaj ist zwar Muslimin, praktiziert ihren Glauben aber undogmatisch und verzichtet zum Wohl ihrer Karriere beispielsweise auf die Einhaltung des Fastenmonats. Nicht zuletzt hat sie es als ausgegrenztes Migrantenkind aus dem Kosovo schließlich zu einer von Deutschlands Vorzeigesportlerinnen geschafft.