Zum Hauptinhalt springen

Bakschisch-Republik im Visier der Justiz

Von Andreas Osterhaus

Politik

Paris - Am morgigen Mittwoch fallen im Prozess um die vom Ölkonzern Elf-Aquitaine an Politiker geflossenen Bestechungsgelder in Milliardenhöhe die Urteile gegen Ex-Außenminister Roland Dumas und seine Ex-Geliebte Christine Deviers-Joncour.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Es geht um Sex und Lügen, vor allem aber um Milliarden-Geschäfte mit doppeltem Boden. Wenn im Pariser Elf-Prozess das Urteil fällt, ist dies der erste Richterspruch zur weltumspannenden Korruption des ehemals staatlichen französischen Ölkonzerns Elf-Aquitaine. Anders als bei der deutschen Leuna-Elf-Affäre, wo ein Verfahren nicht in Sicht ist, hatte die französische Justiz nach langen Ermittlungen genügend Material für einen Prozess beisammen. Unter den sieben Angeklagten, die in Paris mit Haft- und Geldstrafen rechnen müssen, sind Ex-Außenminister Roland Dumas und seine von Elf gesponserte Ex-Geliebte Christine Deviers-Joncour, die selbsternannte "Hure der Republik". Lange wollten alle Angeklagten die Schuld auf den einzig Flüchtigen abwälzen - bis im Februar der Ex-Elf-Manager Alfred Sirven auf den Philippinen geschnappt wurde.

Hinter den Milliardengeschäften des Ölmultis verbirgt sich eine der größten Staatsaffären Frankreichs, die einen weiteren Schatten auf die Ära des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand wirft. Was im Gerichtssaal der 11. Pariser Strafkammer seit Jänner verhandelt wurde, betrifft zwar nur einen Teilaspekt, aber schon dies wirkt wie ein Blick hinter die Kulissen einer Bananenrepublik: Anfang der 90er Jahre erhält Deviers-Joncour von Elf ein Luxus-Appartement und eine Kreditkarte ohne Nutzungslimit. Ihre Gegenleistung ist die Einflussnahme auf den Außenminister. Wann immer Sirven von Dumas eine bestimmte politische Entscheidung erwartet, weist er die Geliebte an, sie möge doch den Chefdiplomaten mit geeigneten Mitteln beeinflussen.

Die Anklage lautet auf Veruntreuung. Auf den Angeklagten lastet der schwere Vorwurf, sie hätten Elf als Staat im Staate aufgebaut und sich dabei kräftig bereichert. Die Schlüsselfigur, der inhaftierte Sirven, hüllt sich jedoch in Schweigen. Als Nummer 2 des Ölkonzerns soll er zwischen 1989 und 1993 weltweit rund 3 Mrd. Franc (6,29 Mrd. S) an Bestechungsgeldern verteilt haben. Allein für das Luxusleben der Deviers-Joncour wurden insgesamt 64,5 Mill. Franc vergeudet.

Vieles lief nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Dumas steht im Verdacht, sich für die Karrieren seiner Geliebten und des mitangeklagten ehemaligen Elf-Chefs Lok Le Floch-Prigent eingesetzt zu haben. Umgekehrt ließ er sich von der Mätresse schon auch Schuhe für umgerechnet mehr als 21.000 Schilling oder kostspielige Kunstwerke spendieren. Die Staatsanwaltschaft forderte für Dumas zwei Jahre Haft und eine Geldstrafe von 2,5 Mill. Franc, für Deviers-Joncour drei Jahre und 1 Million Franc. Auch die anderen fünf Angeklagten sollen hinter Gitter. Die Verteidigung hingegen verwies auf die dünne Beweislage und plädierte auf Freispruch.

Wie immer das Pariser Urteil ausfällt - es wird damit nur ein kleiner Teil der Elf-Affären zu den Akten gelegt. Die Ermittler haben mit einem Dickicht von Verfahrensvorschriften zu kämpfen. So konnten sie die von Deviers-Joncour beeinflusste, völkerrechtlich bedenkliche und milliardenschwere Lieferung von sechs Kriegsschiffen an Taiwan nicht zum Prozessgegenstand machen, weil dafür ein anderer Gerichtshof zuständig gewesen wäre.

Während des Prozesses zeigten alle sieben Angeklagten nicht die leisesten Schuldgefühle. Dumas bekannte sich vor den Richtern zur "intimen, tiefen Beziehung" zu Deviers-Joncour, will sich aber materiell nicht bereichert haben. Sie wiederum gab zu, ihre Liebesdienste für die Interessen des Konzerns eingesetzt zu haben, sah darin aber ein branchenübliches Geschäftsgebaren. Er habe nicht einmal den "goldenen Schlüssel" zum Elf-Luxus-Appartement der Deviers-Joncour gehabt, sagte Dumas. Mit großer Geste forderte er, seine Zeit als Außenminister nicht nur im Lichte dieser Affäre, sondern als Gesamtleistung "vor dem Horizont der Geschichte" zu betrachten. AFP