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Balalaika oder Lotto spielen

Von Markus Kauffmann

Analysen

Münteferings Sprüche zur Altersarmut machen Ärger. | Jeder weiß, dass am deutschen Rentensystem kräftig gerüttelt werden muss. Doch seltsam ist es schon, wie forsch der zuständige sozialdemokratische Minister Franz Müntefering diese Wahrheit ausspricht - knapp vor wichtigen Landtagswahlen.


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Auf die Frage, wie man bei sinkenden staatlichen Renten der Altersarmut entgehen könne, fiel der Arbeitsminister ein: "Da kann man Verschiedenes versuchen! Balalaika spielen, Lotto spielen, Riester-Rente (bezuschusste Privatvorsorge, Anm.) oder betriebliche Rente", lautete sein ziemlich schnoddriger Rat.

In zwei Wochen werden in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt neue Landtage gewählt. Die SPD versucht, zwei CDU-Ministerpräsidenten zu stürzen und ihr Aushängeschild Kurt Beck, Landeschef der Pfalz, zu halten. Kein einfaches Unterfangen bei den für die SPD ungünstigen Umfragewerten - erschwert jetzt noch durch "Müntes" ungestümes Vorpreschen.

Schon vor kurzem hatte der Vizekanzler seine Parteifreunde geschockt, als er ankündigte, das Renteneintrittsalter schneller als geplant auf 67 Jahre zu erhöhen. Beck, unter dem Druck der bevorstehenden Landtagswahlen, war ihm öffentlich in die Parade gefahren; doch Müntefering ließ sich nicht beirren.

Diese Woche legte er dem Kabinett seinen Rentenbericht vor. Auf 115 Seiten kann man hier lesen, wie des deutschen Michels Renten künftig schrumpfen. Ein Durchschnittsverdiener kann nach 45 Beitragsjahren mit einer gesetzlichen Rente von nur 1180 Euro rechnen.

Und es kommt noch dicker:

- keine Rentenerhöhung bis 2009,

- dafür aber Erhöhung der Beiträge schon ab nächstem Jahr,

- Beitragspflicht für Betriebsrenten ab 2009 (bisher unter 200 Euro frei).

Rot-Grün hatte seinerzeit weniger Hemmungen und beschloss im Herbst 2003 zum ersten Mal in Deutschland eine Rentenkürzung. Wenige Wochen später kassierte die SPD eine herbe Niederlage in Brandenburg - bei Kommunalwahlen.

Müntefering steht mit dem Rücken zur Wand, sachpolitisch, aber auch stimmungsmäßig. Doch gleichzeitig ist er Stratege. Er denkt wohl nicht mehr an die Wahlen in zwei Wochen, sondern an die wirklich großen in vier Jahren. Und da möchte er möglichst alle Grausamkeiten hinter sich haben.