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Balanceakt in Belgrad

Von Martyna Czarnowska

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Trotz Annäherung an die EU möchte sich Serbien nicht vom befreundeten Russland entfernen.


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An Selbstbewusstsein mangelt es Ivica Dacic nicht. Und schon gar nicht an Nationalstolz. Serbiens Ex-Premier und jetziger Außenminister kann schon einmal ausländische Journalisten wegen deren vermeintlicher Ignoranz rügen, und gegen die "unfaire Behandlung" seines Landes durch die Westeuropäer wettert er ebenfalls gern. Warum, fragt er beispielsweise, würden an Serbien im Laufe des Annäherungsprozesses an die EU Forderungen gestellt, die teilweise nicht einmal einige Mitgliedstaaten selbst erfüllen würden? Warum werden umgekehrt die von Belgrad unternommenen Anstrengungen nicht gewürdigt?

Den Unmut des Sozialisten erregt dabei nicht unbedingt der jüngste Fortschrittsbericht, in dem die Union weitere Reformen vom Beitrittskandidaten fordert. Es ist derzeit eher das Unverständnis, auf das die Haltung des Balkanlandes gegenüber Russland in der EU stößt. Dabei müssten die Europäer doch begreifen, dass Serbien die Sanktionen nicht mittragen könne, meint Dacic. Es könne sich einen kalten Krieg schlicht nicht leisten.

Am Kurs Richtung EU ändere das jedenfalls nichts. "Ich bin zwar kein Fan der Europäischen Union", räumte der Politiker ein, als er vor kurzem auf Einladung der Denkfabrik EPC (European Policy Centre) einen Vortrag in Brüssel hielt. Die Gemeinschaft sei aber nun einmal derzeit die beste Organisation, der sich sein Land anschließen könnte.

Doch gleicht dieser Weg für die Regierung in Belgrad aktuell einem Balanceakt. Denn vom befreundeten Russland wollen sich die Serben trotz aller Annäherung an die EU nicht entfernen. Erst vor wenigen Tagen reiste Staatspräsident Wladimir Putin von Moskau nach Belgrad und nahm an einer pompösen Militärparade anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung Belgrads teil. Dabei lobte er Serbien als einen "nahen Bündnispartner" und hatte für diesen auch wirtschaftliche Angebote parat.

Der Besuch wurde in dem Balkanstaat weit begeisterter aufgenommen als in Westeuropa. Das Nahverhältnis zu Russland, das selbstredend die Unabhängigkeit der ehemaligen südserbischen Provinz Kosovo nicht anerkennt, könnte nun mit Vorteilen für serbische Exporteure gefestigt werden. Der Kreml hat nämlich ein Importverbot für Lebensmittel aus der EU verhängt - und die so entstehende Marktlücke könnten laut Putin die serbischen Agrarproduzenten nutzen. Schon wird über eine mögliche Verdopplung des Werts der Ausfuhren auf 400 Millionen Euro spekuliert.

Allerdings ist auch der Regierung in Belgrad bewusst, dass der russische Markt keine Alternative zum europäischen bietet. Zwar hat sich das bilaterale Handelsvolumen heuer um fast ein Drittel erhöht, doch im Laufe der vergangenen sechs Jahre war die EU ein weit wichtigerer Partner. In die Union hat Serbien Waren im Wert von mehr als 30 Milliarden Euro ausgeführt. Nach Russland flossen Exporte im Wert von rund vier Milliarden Euro. Zu den größten ausländischen Investoren in Serbien zählen Staaten wie Österreich.

Nicht zuletzt darauf könnte die EU ihren Druck aufbauen, damit Belgrad die Sanktionen gegen Russland zumindest nicht torpediert. Denn politisches Drängen half bisher wenig.