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Bald gehen in der City of London viele Lichter aus

Von Karl Leban

Wirtschaft

Nach dem Ende der Brexit-Übergangsfrist dürfen britische Banken nicht mehr von London aus Finanzgeschäfte in der EU betreiben.


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Mit dem endgültigen EU-Austritt Großbritanniens zum Jahreswechsel wird die britische Bankenlandschaft mit einem Schlag eine andere sein. Finanzgeschäfte in der Europäischen Union dürfen Banken dann nicht mehr vom Finanzplatz London aus betreiben. Etliche Geldhäuser waren daher gezwungen, sich - mit Blick auf die Brexit-Übergangsfrist bis Ende 2020 - zumindest zum Teil umzuorientieren und dabei bestimmte Geschäftssparten in EU-Länder auszulagern.

Für Dienstleistungen wie Einlagen- und Kreditgeschäfte etwa benötigten diese Institute eine Banklizenz sowie rechtlich selbständige Einheiten in einem Mitgliedstaat der Union. Viele der betroffenen Banken hat es vor allem nach Frankfurt gezogen - nicht zuletzt auch deswegen, weil die deutsche Metropole am Main in der Bankenwelt als eines der wichtigsten internationalen Finanzzentren gilt.

Neben Frankfurt haben britische Banken auch in Dublin, Paris und Amsterdam eigene Hubs für ihre Geschäfte in der EU errichtet oder überhaupt ihren Sitz dorthin verlegt. Was Letzteres betrifft, so sind nach früheren Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) alles in allem 24 Banken umgezogen. Davon stehen sieben unter direkter Aufsicht der EZB (weil sie entsprechend groß sind), die 17 anderen fallen unter die jeweilige nationale Aufsicht ihres jetzigen Standorts. Detail am Rande: Neben Banken haben auch britische Versicherer und Fondsanbieter neue Standorte auf dem europäischen Festland eröffnet, um nach dem endgültigen Brexit arbeitsfähig zu sein.

In EU Werte in Höhe von 1,3 Billionen Euro transferiert

Im Rahmen des Brexit-Prozederes werden jedenfalls Geschäfte in erheblichem Umfang in die Eurozone umgeschichtet. "Am Ende des Prozesses werden wir Vermögenswerte in Höhe von rund 1,3 Billionen Euro haben, die von London in den Euroraum verlagert wurden", sagt der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria.

Diese schon etwas ältere Prognose von Europas oberstem Bankenaufseher ist von einer kürzlich veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young) bestätigt worden. Demnach sollen mittlerweile rund 1,2 Billionen Pfund an Vermögenswerten (umgerechnet gut 1,3 Billionen Euro), die EU-Kunden gehören, in die Europäische Union verfrachtet worden sein.

Verlegt haben britische Finanzinstitute auch schon tausende Arbeitsplätze, laut der EY-Erhebung sind es mehr als 7.500. Viele Jobs seien dies jedoch nicht, heißt es in Bankenkreisen mit dem Hinweis darauf, dass in der City of London mehrere hunderttausend Menschen im Finanzbereich beschäftigt seien. Ursprünglich hatten Experten mit dem Abziehen von circa 80.000 Jobs gerechnet.

Notenbanken: Verwerfungen sind nicht zu befürchten

"Die Unternehmen müssen nun sicherstellen, dass sie am 1. Jänner 2021 einsatzbereit sind und ihre Kunden bedienen können", heißt es bei EY. Vor diesem Hintergrund rechnet die Deutsche Bundesbank nicht damit, dass es mit dem endgültigen Brexit zu Verwerfungen in der Bankenbranche kommt: "Regulierung, Aufsicht und Banken haben alles getan, um Störungen oder gar Turbulenzen am 1. Jänner 2021 zu vermeiden, aus unserer Sicht kann der Brexit daher kommen."

Generell sieht auch die EZB-Bankenaufsicht die Finanzhäuser gut auf das Ende der Übergangsfrist vorbereitet. Eine Unterversorgung mit Finanzdienstleistungen auf dem Kontinent sei nicht zu befürchten, alle in der Londoner City angebotenen Finanzprodukte seien mittlerweile auch auf dem Kontinent verfügbar.

Was unterdessen noch abzuwarten bleibt, ist, ob die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs künftig trotz Verlusts beträchtlicher Geschäftsvolumina weiterhin die wichtigste Finanzmetropole der Welt sein wird. Manche Bankenexperten glauben nicht, dass London diese Position verliert. "Der Brexit wird daran nichts ändern", betonen sie und verweisen darauf, dass ein Großteil des Geschäfts mit den USA, Asien und Lateinamerika weiter über London laufen und London wie bisher viele Fintechs anziehen wird.