Länder denken an Strukturreform. | Volksanwältin Brinek sieht bei Zusammenlegung steigende Effizienz. | Wien. Wieder einmal rumort es unter den Kommunalvertretern in Österreich. Der zunehmende Finanzdruck könnte für so manche Gemeinde den Kollaps bedeuten. Schon im Vorjahr haben bereits mehr als die Hälfte aller österreichischen Gemeinden - 2356 sind es ohne Wien - weniger Einnahmen als Ausgaben verzeichnet. Ob Gemeindezusammenlegungen ein Ausweg aus dem Dilemma sind, daran scheiden sich die Geister.
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Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer hat zuletzt von "blanken Unsinn" gesprochen und sogar vor Mehrkosten gewarnt. Er verwies auf höhere Mitarbeiterzahlen je 1000 Einwohner in den größeren Gemeinden, entsprechend teurer komme dort das Gemeindepersonal. Auch der Verwaltungs- und Betriebsaufwand nehme mit der Größe zu.
"Diesen Automatismus stelle ich in Frage", meint hingegen Volksanwältin Gertrude Brinek im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Ich denke, dass wir den Beweis erbringen können, dass mit Gemeindezusammenlegungen Effizienzsteigerungen möglich sind."
Gemeinden müssen Entscheidung treffen
Allerdings spricht sich die Volksanwältin auch dezidiert gegen eine "Zusammenlegung um des Zusammenlegens willen" aus. Vielmehr stehe vor diesem Schritt "ganz gewiss" die Zusammenarbeit kleinerer Gemeinden - etwa in den Bereichen Dienstleistungsangebote, Rechtsservice und Know-how-Bündelung. Dadurch könne effizienter gearbeitet werden, ohne dass das Profil einer Gemeinde oder Region verloren geht. Erst, wenn diese Zusammenarbeit ausgereizt sei, könnten die Gemeinden über eine Zusammenlegung nachdenken - diese Entscheidung müssten aber sie selbst treffen, so Brinek.
Die frühere ÖVP-Wissenschaftssprecherin fordert die Gemeinden auch dazu auf, Prioritäten bei ihren Leistungen zu setzen und auf Wettbewerbe mit den Nachbargemeinden zu verzichten. Denn das Rittern um Einwohner, mit dem Ziel, möglichst viel Geld aus dem Finanzausgleich zu erhalten, könne mitunter teuer kommen. Gemeinden, die etwa einen Golfplatz bauen, ziehen laut der Volksanwältin Einwohner mit einer hohen Erwartungshaltung an. Diese würden dann etwa auch eine Straßenbeleuchtung zum Golfplatz fordern. Und dies sei neben Ausgaben für Pflege, Soziales und Gesundheit mit ein Preistreiber für die Gemeinden.
Während sich auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die Bildung von Gemeindeverbänden vorstellen kann, bleiben mögliche Zusammenlegungen in den Ländern ein Dauer-Diskussionsthema. In der Steiermark wurde von der neuen Landesregierung eine Gemeindereformgruppe aus der Taufe gehoben, die eine Strukturreform in den Kommunen bis hin zu Fusionen in die Wege leiten soll. Dabei gehe es nicht nur um kleine Landgemeinden, sondern auch um Satelliten der größeren Städte. Aus den 542 steirischen Gemeinden könnten dann weniger werden.
Immer wieder Zwischenrufe kommen auch aus Oberösterreich. Dort schlug etwa die Industriellenvereinigung eine Halbierung der 444 Gemeinden durch Zusammenlegungen vor.
Im Streit um die Gemeindegröße legte sich auch Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger fest. Die Behauptung des Gemeindebundes, kleinere Gemeinden wären per se kosten effizienter, sei "absurd".
Kooperationen sollen den Druck mildern
Bei einer möglichen Strukturreform ist auch die Raumplanung gefordert. In einem neuen Konzept der Österreichischen Raumordnungskonferenz wird dem Bereich "Kooperationen" ein großer Schwerpunkt eingeräumt - als möglicher Rettungsanker für finanzmarode Gemeinden. Etwa eine mobile Pflege, die mehrere Orte abdeckt.
Wissen: Gemeindefusionen
Als kleine Gemeinden gelten Kommunen mit unter 500 Einwohnern. Davon gibt es in Österreich 181. Sechs davon haben weniger als 100 Einwohner.
Gemeindefusionen sind in Europa ein großes Thema, etwa in der Schweiz. Dort sank die Zahl der Gemeinden durch Zusammenlegungen seit 1990 von mehr als 3000 auf unter 2800. Am rigorosesten wurde in Skandinavien fusioniert. Schweden reduzierte die Zahl der Kommunen in den 60er- und 70er-Jahren von rund 2500 auf 278, Norwegen kürzte um die Hälfte, Dänemark um ein Viertel. Auch in Österreich sind Gemeindefusionen kein Novum. Etwa schlossen sich die oberösterreichischen Gemeinden Weyer-Land und Weyer-Markt im Jahr 2007 zusammen.
Stellt sich die Frage nach der optimalen Größe einer Gemeinde. Eine solche gebe es nicht, meinte dazu der Schweizer Experte Daniel Kettinger gegenüber der "Wiener Zeitung". Die Vorteile von Gemeindefusionen seien vielfältig, sie könnten etwa raumplanerisch oder strategisch sein. Was man in der Schweiz mittlerweile aber weiß, ist, dass Gemeindefusionierungen selten zu Kostenersparnissen geführt haben.