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Baldige Genesung nicht in Sicht: Der Patient Ungarn krankt an sich selbst

Von Karin Bachmann

Analysen

Knapp ein Monat vor Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft hat die Agentur Moodys das Rating des Nachbarlandes auf Baa3 gesenkt. Das ist gerade einmal eine Note über "Ramsch-Status". Auch mit Blick auf den Kontinent ist das alles andere als vertrauensstiftend, gehört zu den ungarischen Prioritäten ab Jänner doch auch die Ordnung der EU-Finanzen in Zeiten der Krise.


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Dabei lässt die Begründung, die Konsolidierungsstrategie der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban beinhalte kaum Vorschläge für eine nachhaltige Sanierung, vor allem deshalb aufhorchen, weil Moodys nur das nochmals zum Ausdruck bringt, was etwa vom Internationalen Währungsfonds schon seit Monaten bemängelt wird.

Noch schärfere Töne schlagen die Auslandsinvestoren in Ungarn an. Waren es zunächst vor allem internationale Vertreter einzelner Branchen, die gegen die Einführung von Sondersteuern protestierten, holt nun mit der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) eine führende Auslandshandelskammer in einer Stellungnahme zum Rundumschlag aus: Wenn das wirtschaftspolitische Umfeld von fehlender Berechenbarkeit geprägt sei, könne die Handelskammer nicht mehr wie bisher "glaubhaft und überzeugend die wirtschaftlichen Chancen des Standortes Ungarn hervorheben".

Selbst wenn man DUIHK-Präsident Tamas Vahl mit Blick auf Orbans Mannschaft eine gewisse Bereitschaft zur Konfrontation nicht absprechen kann (immerhin hätte er unter Ex-Premier Gordon Bajnai Minister werden sollen): Die immer heftiger schwelende Vertrauenskrise lässt sich nicht besser auf den Punkt bringen.

Trotz einer satten Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament konnte sich die Regierung bisher nicht zu den erwarteten eindeutigen Wirtschaftsreformen durchringen. Damit erweckt sie nicht den Eindruck, ihr gehe es wirklich um einen Neuanfang, zumal sie sich den fragwürdigen Luxus leistet, ohne Finanzminister auszukommen. Darüber kann auch nicht der ab Jänner geltende Einheitssatz von 16 Prozent bei Lohn- und Einkommensteuer hinwegtäuschen. Ungarn führt die Flat Tax erst ein, wo andernorts längst an zeitgemäßen Korrekturen der Einheitssteuer gearbeitet wird. Das Steuersystem bleibt nach Einschätzung von Experten trotzdem unübersichtlich.

Lob erntet von internationaler Seite derzeit nur Andras Simor, Chef der ungarischen Notenbank, für seine solide Währungspolitik. Orban aber würde den noch unter den Sozialisten inthronisierten Simor am liebsten entmachten, aus rein parteipolitischen Erwägungen liefert er sich seit Monaten eine mediale Schlammschlacht mit ihm.

Kurieren kann sich der Patient Ungarn unter diesen Voraussetzungen nur selbst. Solange er aber vor allem an persönlichen Animositäten krankt, ist an eine baldige Genesung nicht zu denken.

Siehe auch:Ungarns Rating nur noch eine Stufe über 'Ramsch'