Das geheimnisvolle Verschwinden einer uralten mittelamerikanischen Kultur.
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Berlin. "Bis vor wenigen Jahren hat kaum jemand bei den heute im Hochland von Guatemala lebenden Maya von einem Weltuntergang am 21. Dezember 2012 gesprochen", erinnert sich der Archäologe Nikolai Grube von der Universität Bonn. Ihre Vorfahren hatten zwar einen hervorragenden Kalender entwickelt, aber weder den Weltuntergang für den Anfang des 21. Jahrhunderts prophezeit noch den Niedergang ihrer eigenen Kultur vorhergesehen, der vor rund 1200 Jahren begann.
Erst als Esoteriker und auch der bekannte Filmemacher Roland Emmerich in einem fiktiven Katastrophenstreifen ein wichtiges Datum im Kalender der Maya mit dem angeblich bevorstehenden Weltuntergang verknüpften, wurden auch die bitterarmen Menschen im Hochland von Guatemala auf diesen 21. Dezember 2012 aufmerksam. Immerhin kann man mit den seither ins Land strömenden "Pilgern des Weltuntergangs" einiges Geld verdienen.
Wichtige Wasserversorgung
Maya-Spezialist Grube beobachtet diese Vorgänge nur am Rande. Gemeinsam mit Kollegen aus Europa und Amerika gräbt der Archäologe die einstige Maya-Stadt Uxul, die bis vor wenigen Jahren im Regenwald verborgen war, im heutigen Mexiko nahe der Grenze zu Guatemala aus. Immer wieder stößt er dabei auf Spuren des Niedergangs - wie Verstorbene, die ohne Grabbeigaben bestattet wurden. Solche Funde werfen ein Schlaglicht auf das geheimnisvolle Verschwinden dieser hochentwickelten Kultur. Genau wie die beiden Zisternen, jede von ihnen groß wie ein Fußballfeld und drei oder vier Meter tief. "Während die würdelos behandelten Toten auf chaotische Zustände hindeuten, zeugen die großen Wasserspeicher von guter Organisation und Planung", meint Grube.
Wie wichtig die Zisternen für die Bewohner von Uxul waren, erfahren die Archäologen am eigenen Leib, wenn sie jedes Jahr zwischen Februar und April die Ruinen der Maya-Stadt untersuchen. Dann ist Trockenzeit, und die Pisten zu der nächsten, 120 Kilometer entfernten modernen Siedlung lassen sich in einem Tag bewältigen. In den restlichen Monaten des Jahres versinken die Wege dagegen im Schlamm.
Vor 1200 Jahren war das Klima ähnlich, schließen die Forscher aus Analysen von Pflanzenpollen im Untergrund. Um die Trockenzeit zu überbrücken, baute man die Zisternen. Die lieferten nicht nur für die 8000 Einwohner Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen, sondern auch Feuchtigkeit für die Maisfelder. "Bau und Unterhaltung der Anlagen erforderte eine gute Organisation", erklärt Grube. Diese oblag den Adligen des Maisbauernvolkes der Maya, an deren Spitze in Uxul wie in anderen Städten ein Gottkönig stand. Diese Mischung aus religiösem und weltlichem Herrscher war wie in Europa ein Fürstbischof für den Fortbestand der Welt und damit im Maya-Stadtstaat Uxul auch für die Pflege der überlebenswichtigen Wasserversorgung zuständig.
Seit langem vermuteten Forscher, ein Klimawandel könnte längere Dürreperioden verursacht haben, die das Wasserspeicher-System der Maya überstrapazierten. "Neue Forschungsergebnisse aber deuten auf einen anderen Auslöser für das Ende der Mayakultur hin", berichtet Grube. So gab es eine Reihe von Maya-Stadtstaaten mit je einem eigenen Gottkönig, der die Infrastruktur am Laufen hielt. Diese Städte schlossen sich im Laufe der Jahrhunderte zu zwei Machtblöcken um die großen Maya-Städte Tikal und Calakmul zusammen, die um die Vorherrschaft rangen.
736 nach Christus gelang Tikal ein entscheidender Sieg, der Gottkönig von Calakmul wurde gefangen genommen. Die Städte im Bündnis um diese Metropole aber bekam Tikal nie unter Kontrolle. Bald begannen einzelne Städte, um ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Nach einiger Zeit sprangen die Unruhen sogar auf das siegreiche Bündnis von Tikal über. "Diese Entwicklung ähnelte ein wenig der Situation nach dem Tod des Staatschefs Tito in Jugoslawien", erklärt Grube.
Anstieg der Kriege
Seiner Theorie zufolge verschwanden in vielen Maya-Städten vor rund 1200 Jahren zunächst die Adligen, während die Bauern noch weitere 50 oder 100 Jahre ausharrten. Die Entwicklung begann ausgerechnet in den Städten mit der besten Wasserversorgung. Zu einer Dürreperiode passt das kaum - wohl aber zu einer Entwicklung wie auf dem Balkan: Auch in Jugoslawien erklärte sich zuerst das reichste Land Slowenien für unabhängig, es folgten das zweitreichste Land Kroatien und später die ärmeren Gegenden.
Die Maya-Inschriften berichten aus dieser Epoche von einem drastischen Anstieg der Kriege. Damals wie heute fegt eine solche Entwicklung oft die Herrscherschicht weg. Damit verschwand das Wissen, wie man die komplizierte Infrastruktur in Schuss hält. Die Wasserversorgung für die Bauern funktionierte zwar zunächst noch ganz gut. Notwendige Reparaturen unterblieben jedoch, das System verrottete. Kam eine längere Dürreperiode dazu, waren die Zisternen irgendwann völlig leer.
Der Mais vertrocknete vor der Ernte auf den Feldern. Die Menschen verhungerten in den Straßen. Auch die europäische Geschichte kennt solche Katastrophen, wie den Dreißigjährigen Krieg. In einem solchen Chaos werden auch die Toten nicht mehr ordentlich bestattet, genau diese Situation sieht Grube auch bei seinen Ausgrabungen in Uxul.