Stellplatzverordnung entschärft, Gesetz wird Balkon-freundlicher.
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Wien. Monatelang wurde verhandelt. Jetzt ist er fertig: Am Dienstag präsentierten Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) und der Grüne Planungssprecher Christoph Chorherr den Entwurf für die Reform der Bauordnung - die "Wiener Zeitung" hat bereits im Vorfeld über die Eckpunkte berichtet.
In dem Entwurf vorgesehen sind unter anderem eine "Balkon-Offensive", energieproduzierende Bürogebäude, Maßnahmen gegen Immobilienspekulation, eine Entschärfung der Stellplatzverpflichtung und "städtebauliche Verträge".
Das neue Gesetz, das jetzt in die Begutachtungsphase geht und bis Jahresende in Kraft treten soll, wird das Antlitz Wiens in den nächsten Jahrzehnten bestimmen. Die Tatsache, dass Wien schneller wächst als die meisten anderen Städte in Europa, spielte laut Ludwig und Chorherr bei den Überlegungen zur Neufassung der Bauordnung eine wesentliche Rolle.
Städtebauliche Verträge verpflichten Bauträger
Laut Bevölkerungsprognose der Statistik Austria wird Wien nämlich bis zum Jahr 2035 mehr als zwei Millionen Einwohner haben - das sind rund 300.000 mehr als heute. Bereits jetzt wird überall in der Stadt, wo noch freie Fläche zur Verfügung steht, geplant, gewidmet, ausgeschrieben oder gebaut. Sei es am Gelände um den neuen Hauptbahnhof, in der Seestadt Aspern, auf dem Gelände des Nordwestbahnhofes oder entlang der Donauufer.
Vor diesem Hintergrund muss man die Schaffung der "städtebaulichen Verträge" sehen, wie sie die Novelle der Bauordnung vorsieht. Mit der bloßen Widmung von Wohn-, Geschäfts- und Büro-Flächen wollen sich die rot-grünen Stadtplaner nämlich nicht zufrieden geben. "Wir wollen die Bauträger stärker in die Schaffung von Infrastruktur einbeziehen", erklärt Ludwig. Wird ein Projekt ausgeschrieben, soll es künftig einfacher sein, Freiflächen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Verkehrswege sowie Versorgungseinrichtungen sicherzustellen.
"Bisher war es oft so, dass die Bauträger alles Mögliche versprochen haben", erklärt Chorherr gegenüber der "Wiener Zeitung": "Aber es gab keine Möglichkeit für die Stadt, diese Versprechen rechtlich durchzusetzen." Ganz zu schweigen davon, wenn eine Immobilie weiter verkauft wurde: Da habe sich manch ein Käufer gar nicht mehr an die ursprüngliche Vereinbarung mit der Stadt gebunden gesehen.
Welche Bedeutung derartige Verträge zwischen der öffentlichen Hand und privaten Bauträgern haben könnten, zeigt sich etwa am Beispiel des Entwicklungsprojektes Hotel InterContinental/Wiener Eislaufverein (WEV). Als Bedingung für die Neuerrichtung eines Hochhauses will die Stadt dem Eigentümer der Liegenschaft eine Vielzahl an Zugeständnissen abringen. Neben der Erhaltung der Eisfläche wünschen sich Anrainer und beteiligte Bürger diverse infrastrukturelle Maßnahmen - Wege durchs Areal, eine Turnhalle für das Akademische Gymnasium sowie eine Veranstaltungshalle für das benachbarte Konzerthaus. Städtebauliche Verträge könnten sicherstellen, dass Stadtentwicklungsprojekte nicht nur einigen privaten Investoren Rendite verschaffen, während die Interessen der Allgemeinheit auf der Strecke bleiben, glaubt Chorherr.
Ein Drittel weniger Garagen durch neue Regelung
Seit längerem auf der Wunschliste des kleinen Koalitionspartners stand die Abschaffung der Stellplatzverpflichtung. Die im Jahr 1938 erlassene und bis heute in Kraft befindliche Bestimmung legt fest, dass für jede neue Wohnung ein Kfz-Stellplatz errichtet werden muss. Mit der jetzigen Novelle fällt die umstrittene Bestimmung zwar nicht weg, sie wird allerdings entschärft: In Zukunft ist - ähnlich der Regelung zu Bürogebäuden - pro 100 Quadratmeter Nutzfläche ein Garagenplatz zu errichten.
"Die Stellplatzverpflichtung in dieser Form war für den Bau von Wohnungen ein Kostentreiber", erklärt Ludwig, "gerade beim Bau kleinerer Wohnungen verteuerten sich die Baukosten deutlich." Ludwig geht davon aus, dass mit der neuen Rechtslage rund ein Drittel weniger Garagen errichtet werden müssen. Gerade bei kompakten und gut durchdachten Wohnungsgrundrissen werde dies auch die Mietpreise reduzieren, hofft der Wohnbaustadtrat.
Während die Stadtverwaltung - auch um die Zahl der Automobile zu reduzieren - beim Garagenbau bremst, setzt sie an einer anderen Stelle auf Beschleunigung: Der urbane Luftraum nämlich soll verstärkt genutzt werden. Die "Balkon-Offensive" erlaubt künftig die Errichtung von Balkonen (sowohl bei bestehenden Gebäuden als auch bei Neubauten) über Verkehrsflächen.
Balkone auch über Verkehrsflächen erlaubt
"Das wird die Lebensqualität in der Stadt deutlich erhöht", sagt dazu Chorherr: "Auch die Menschen im dicht verbauten Gebiet wollen draußen sitzen." Die Novelle befindet sich ab sofort in der Begutachtungs-Phase. Im Anschluss daran wird sie der Landesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt. Mit Jahreswechsel könnte die Novelle bereits in Kraft treten.