Russland hat nach wie vor starke Interessen in Estland, Lettland und Litauen. Drei Staaten, die jetzt der NATO und in der Folge der EU beitreten werden. Die Ansprüche Moskaus traten in den letzten Tage deutlich zutage.
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Vor 1918 gehörten die heutigen baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen zu Russland. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1991 standen sie als Sowjetrepubliken ebenfalls unter dem direkten Einfluss Moskaus. Am 2. April treten nun alle drei der NATO, am 1. Mai der EU bei.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow warnte dieser Tage die NATO vor der Errichtung von Stützpunkten im Baltikum und in Polen. Russland sei keine Bedrohung für das Verteidigungsbündnis, ein derartiger Schritt sei für Moskau daher "unverständlich". Iwanow behielt sich für Russland im Extremfall sogar eine Verstärkung der Truppenpräsenz in der ab 1. Mai ganz von EU und NATO umschlossenen Exklave Kaliningrad vor.
Iwanows Aussagen war ein Geplänkel rund um die Präsentation neuer Spionage-Flugzeuge der NATO Ende Februar in Lettland und Litauen vorangegangen. Russland reagierte darauf prompt mit Überwachungsflügen vor der baltischen Küste. Die vergangene Woche bekannt gewordene Ausweisung von drei russischen Diplomaten aus Litauen wird von Beobachtern ebenfalls mit dem bevorstehenden NATO-Beitritt des Landes im Zusammenhang gebracht.
Derzeit erreicht auch der Streit rund um den Status des Russischen als Minderheitensprache in Lettland einen neuen Höhepunkt. Auf einem "Kongress zum Schutz russischer Schulen in Riga" forderten angereiste russische Duma-Abgeordnete eine Aufwertung des Russischen zur zweiten Staatssprache. In einem am gleichen Tag erschienen Interview wies Verteidigungsminister Iwanow darauf hin, dass in Finnland Schwedisch offizielle Landessprache ist, obwohl dort nur knapp sechs Prozent der Bevölkerung Schwedisch als Muttersprache sprechen.
Hafen boykottiert
Nicht zu unterschätzen ist auch der wirtschaftliche Einfluss, den Russland weiterhin im Baltikum ausübt. Für Litauen ist Russland nach wie vor der wichtigste Handelspartner, was unter anderem mit den regen Öldurchfuhren zum litauischen Ostsee-Terminal Butinge zusammenhängt. Der einstmals wichtigste sowjetische Ölhafen im Baltikum im lettischen Ventspils wird dagegen seit einem Jahr von Russland boykottiert. Als Hintergrund gilt die Weigerung der Letten, die nach Ventspils führende Pipeline an die russische "Transneft" zu verkaufen.