Die Ökonomisierung des Sports nimmt besorgniserregende Ausmaße an. Die Verbände müssen über wirksame Regulative nachdenken.
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Am 2. Mai steigt in Las Vegas der Boxkampf des Jahres, viele sagen schon: der Boxkampf des Jahrhunderts. Der Amerikaner Floyd Mayweather, Weltmeister im Halbmittel- und Weltergewicht, steigt gegen den philippinischen Nationalhelden Manny Pacquiao in den Ring. Es ist in jeder Hinsicht ein Kampf der Superlative: 120 Millionen Dollar Kampfprämie streicht Mayweather ein, Pacquiao bekommt immerhin 80 Millionen Dollar Gage. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" rechnete vor, dass dies, je nach Kampfverlauf, 70.000 Dollar Verdienst pro Sekunde sind. Das muss man sich einmal vorstellen! So viel Geld verdient die große Mehrheit der Beschäftigten in OECD-Staaten im ganzen Jahr nicht, und in Entwicklungsländern werden Menschen, die von zwei oder weniger Dollar am Tag leben, diese Summe in ihrem ganzen Leben nicht erreichen.
Die Gelder im Sport nehmen Dimensionen an, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Nächstes Beispiel Profifußball: Dort hat die englische Premier League kürzlich einen Mega-Deal bei der Vermarktung der TV-Rechte abgeschlossen. 6,9 Milliarden Euro bekommt der Ligaverband, eine gigantische Summe. Damit können Wayne Rooney und Co. noch mehr verdienen. Auch in Deutschland wurde diskutiert, ob man künftig montags und auch am Heiligen Abend Bundesligaspiele austragen soll.
Ist dem Fußball nichts mehr heilig? Muss man alles vermarkten?
Gewiss, die Kritik an der Kommerzialisierung des Sports ist nicht neu. Gegen die obszönen Gehälter der Kicker wurde schon immer gewettert. Doch mittlerweile hat die Ökonomisierung des Fußballs Ausmaße erreicht, die kaum noch umkehrbar sind. Oligarchen und Scheichs kaufen sich Fußballklubs als Spielzeuge oder Finanzvehikel, Agenten besitzen Rechte (sic!) an Spielern. Weil die Ticketpreise steigen, schauen Fußball-Fans in England die meisten Spiele in Pubs oder zu Hause. Die Stadien bleiben teilweise leer, der Sport droht zu einer reinen Sponsorenveranstaltung zu verkommen. Das Financial Fairplay, das die Ausgabenexzesse stoppen oder zumindest drosseln soll, sieht sich seinerseits Kritik ausgesetzt, weil es die Struktur der etablierten Vereine zementiere und eine "Oligopol-Liga" schaffe.
In seinem Buch "The Ugly Game: How Football Lost its Magic and What it Could Learn from the NFL" fordert Martin Calladine nach dem Vorbild der National Football League in den USA Gehaltsobergrenzen (sogenannte "salary caps") einzuführen, die TV-Gelder gleichmäßig zu verteilen und den Transfermarkt auf ein Draft-System umzustellen. Im American Football ist es nämlich so, dass die schlechtesten Teams des Vorjahres bei der Verpflichtung von Amateur- und Jugendspielern als Erste zum Zuge kommen. Das sorgt für eine größere Balance - und für mehr Spannung. In den vergangenen zehn Jahren konnte kein Team den Super Bowl verteidigen.
Natürlich würde eine Gehaltsdeckelung auf europarechtliche Bedenken stoßen. Doch angesichts astronomischer Ablösesummen (100 Millionen Euro für Gareth Bale) und gigantischer Gehälter (Wayne Rooney kassiert 300.000 Pfund pro Woche) muss man sich fragen, ob der Fußball eine gesunde Entwicklung nimmt.