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Bange Blicke über den Kanal

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Schon bisher vollzogen sich die Brexit-Gespräche schleppend. Angesichts der deutschen Probleme befürchten die Briten nun weitere Verzögerungen.


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London. In Großbritannien hat der Kollaps der Sondierungsgespräche in Deutschland vor allem eine Frage hervorgerufen: Was bedeutet diese Entwicklung für den Brexit? Was steht uns jetzt bevor? Britische Politiker befürchten, dass sich die Austrittsverhandlungen zwischen London und der EU nun weiter verzögern werden und dass das Thema Brexit, um das sich im Vereinigten Königreich alles dreht, im Bundeskanzleramt in Berlin erst einmal keine große Rolle mehr spielt.

Die "Financial Times" fragte am Dienstag schon besorgt, ob Angela Merkel am Freitag überhaupt zum EU-Treffen auftauchen werde, bei dem Theresa May mit ihr zu sprechen hoffte. Generell war zu Wochenbeginn in London von einer ganz unerwarteten "Merkeldämmerung" die Rede. Im Mittelfeld der britischen Politik bedauerte man die Ungewissheit für Europa, die durch die Lage in Berlin entstanden war.

Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei wollen unterdessen Merkels geschwächte Position dazu nutzen, härter als bisher gegenüber der EU aufzutreten. Den Europäern zwecks Fortsetzung der Brexit-Verhandlungen große Summen an Geld zu offerieren, sei in dieser Situation "wahrhaft dumm", meint der prominente Tory-Nationalist Jacob Rees-Mogg.

Der frühere Parteichef Iain Duncan Smith meinte am Dienstag, man solle wegen des "Chaos" in Berlin am besten "erst mal gar nichts tun", was die Verhandlungen mit Brüssel betreffe, und "nichts Neues" anbieten. Andere Tories forderten den sofortigen Abbruch der Verhandlungen und Vorbereitungen für einen EU-Austritt ohne alle Vereinbarung mit der EU.

Briten wollen mehr zahlen

In den letzten Wochen waren die Verhandlungen zwischen London und der EU ins Stocken gekommen, weil Theresa May höchstens 20 Milliarden Euro an finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU akzeptieren wollte. Bei einer Sondersitzung des Brexit-Ausschusses des Kabinetts am Montagabend stimmten Johnson und andere Regierungshardliner aber offenbar einer Verdoppelung dieser Summe zu, um die Verhandlungen neu in Gang zu bringen.

Die Premierministerin soll der EU das neue Angebot am 8. Dezember offiziell unterbreiten, damit die EU bei ihrem Gipfel am 14. und 15. Dezember grünes Licht für den lang erhofften Übergang zu Gesprächen über eine künftige Handelsvereinbarung geben kann.

Das Angebot aus London hat freilich einen Haken. Die jetzt in Aussicht genommenen 40 Milliarden Euro wollen die Briten nur auszahlen, wenn sie von der EU einen Handelsvertrag erhalten, der für sie vorteilhaft ist. Falls ihnen die Vertragsbedingungen nicht akzeptabel erscheinen, soll auch kein Geld an die EU überwiesen werden. "Nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist", betonten gestern sowohl May wie ihr Brexit-Minister David Davis.

Im Gegensatz dazu hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier die "Scheidungszahlungen" Londons bisher immer als bedingungslose Voraussetzung für weitere Gespräche betrachtet. Die britische Seite betrachtet das Geld wiederum als Verhandlungspfand.