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Bange Monate für die Grünen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die kommenden fünf Monate sind für die Grünen eine Überlebensfrage. In dieser Zeit wird sich weisen, ob der Hinauswurf aus dem Nationalrat ein einmaliger Unfall war, eigenem Unvermögen und auch Pech geschuldet, und ob es noch politische Nachfrage nach den Grünen gibt.

Den Anfang machen an diesem Samstag die Wiener Grünen, die bei einer Landesversammlung ihre personelle und programmatische Erneuerung einleiten. Dann folgen von Jänner bis April vier Landtagswahlen (Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg), die jede für sich besonderen Stellenwert für die Grünen haben; in drei Fällen sitzen sie in der Landesregierung, beim vierten geht es um Österreichs bevölkerungsreichstes Bundesland.

Die Grünen waren von Anfang an eine politische Partei ganz eigener Natur. Der Prozess, der zu ihrer Bildung führte, orientierte sich an ganz anderen gesellschaftlichen Gräben als jenen, die an der Wiege von ÖVP, SPÖ und FPÖ standen. Klasse, nationale Identität und Religion wurden dabei ersetzt durch Umwelt, Geschlecht und Frieden. Damals, in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren, als die Grünen das Licht der Öffentlichkeit erblickten, war es eine völlig neue Form, Politik und die damit verbundenen Konflikte zu denken, zu artikulieren und auch auszutragen.

Die Gräben, die heute die Gesellschaft durchziehen, weisen mehr Ähnlichkeiten mit jenen auf, die den Charakter der drei Altparteien prägen - und das, obwohl das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und der Klimawandel Dauerthemen geworden sind. Wenn es aber um das Wahlverhalten der meisten Bürger geht, spielen Sorgen und Ängste die Hauptrolle, bei denen es erneut um Identität und - wenn man bei dem Begriff bleiben will - Klasse geht.

Darauf müssen die Grünen eine aus ihrer Sicht neue politische Antwort formulieren. Sich nur darauf zu verlassen, dass das Wahlergebnis vom 15. Oktober ein Missverständnis gewesen ist, wäre jedenfalls eine riskante Wette der Grünen auf die eigene Zukunft. Entscheidend dabei ist - neben der sachpolitischen Dimension - die Sicht der Wähler, nicht jene der Funktionäre; das gilt zwar für alle Parteien, aber die Grünen sind für eine solche Einschränkung des Blickwinkels besonders anfällig, die falschen Prioritäten zu setzen. Ende April werden die Grünen Genaueres über ihre Zukunftstauglichkeit wissen.