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Bangen in Nikosia

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Nikosia strebt nun Kombination aus Solidaritätsfonds und Sparerabgabe an.


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Nikosia. Gegen Mittag lichtete sich an diesem frühlingshaften Freitag im Herzen Nikosias die Menschenmenge etwas. Schließlich will auch in turbulenten Zeiten der Hunger gestillt werden. Doch schon bald gaben sich die Protestler, die am Vortag, sofort nach Bekanntwerden der Schreckensnachricht über die geplante Aufspaltung der Laiki Bank, panisch vor Zyperns Parlament geeilt waren, wieder ein Stelldichein - hinter Absperrgitter und Bereitschaftspolizisten. Die taumelnde Laiki Bank, Zyperns zweitgrößtes Geldinstitut, ist neben den Warteschlangen vor den Bankomaten, den leeren Straßen und den Fliegen totschlagenden Ladenbetreibern zum Sinnbild im einst pulsierenden Inselstaat avanciert. Der Grund: Die etwa 8000 Laiki-Bankangestellten bangen um ihre Jobs. Das englische Horror-Wort lautet für sie: "Resolution" ("Umstrukturierung").

"Das ist völlig ungerecht. Wir als Laiki Bank haben uns im vorigen Frühjahr mit Griechenland solidarisch gezeigt, indem wir uns mit unseren Hellas-Bonds am Schuldenschnitt beteiligt haben. Jetzt zahlen das Land Zypern, seine Bürger und die Laiki-Bank-Angestellten ausgerechnet dafür die Zeche", klagte Bank-Manager Takis Feidas vor einem halben Dutzend Fernsehkameras. Gelingt die angestrebte Aufspaltung der Laiki Bank in eine "gute" und eine "Bad Bank" aber nicht, scheitert auch der ominöse Plan B zur Rettung Zyperns. Und das schon bei seiner Geburt.

2000 bangen um ihre Jobs

Das Dilemma: Rund 2000 Jobs bei der Laiki Bank, ein Viertel der Belegschaft, müsste bei einer effizienten Umstrukturierung sofort den Hut nehmen. Im Krisenland Zypern keine rosige Perspektive. Denn schon seit geraumer Zeit grassiert die Arbeitslosigkeit. Ohne "Resolution" droht der ehemals prosperierenden Laiki Bank aber Schlimmeres: die Liquidation. Mit verheerenden Folgen: zuerst der Bankenkollaps, dann ein totaler Zusammenbruch der Wirtschaft, zuletzt ein Staatsbankrott.

Dennoch: "Oloi i kanenas" ("Alle oder keiner") skandierten die Demonstranten, während sie der mehrmals aufgeschobenen Abstimmung über den 61 Seiten starken Gesetzentwurf zur "Gesundung von Geldinstituten" harrten. Hintergrund: Würde die Laiki Bank drastisch verkleinert, müsste Nikosia nur noch etwa 3 statt 5,8 Milliarden Euro zur Banken-Rettung beschaffen. Das Geld soll durch einen "Nationalen Solidaridätsfonds" eingetrieben werden. Doch woher soll das Geld in dem pleitebedrohten Land kommen? Laut dem sechsseitigen Gesetzentwurf, der unterdessen im Parlament eingereicht worden ist, soll sich der "Soli"-Fonds zum einen aus den künftigen Staatseinnahmen aus der Förderung der Gas- und Ölvorkommen speisen. Zum anderen soll er Anleihen für Vermögenswerte Dritter emittieren können, Spenden erhalten und gewinnbringende Aktivitäten "aus allen legalen Quellen und rechtsgemäßen Geschäften" entfalten.

Kolportiert wird in Nikosia in diesem Zusammenhang, dass der "Soli"-Fonds auch Zyperns Goldreserven anzapfen könnte. Aber: Insidern zufolge belaufen sie sich auf lediglich 700 Millionen Euro. Ferner ist bei den Vermögenswerten von Zyperns Pensionskassen die Rede. Pikant: Alleine bei der schwer angeschlagenen Laiki Bank haben mehr als 500 Pensionskassen Rücklagen und sonstige Gelder angelegt. Geht die Bank aber pleite oder kommt die von der Troika gewollte Zwangsabgabe für Spar- und Termineinlagen, dann fallen hier Verluste an.

Kirche reich und verschuldet

Bliebe noch die jüngst erklärte Bereitschaft des mächtigen Erzbischofs Chrysostomos II., dem Soli-Fonds das Kirchenvermögen zur Verfügung zu stellen. Entgegen anders lautender Meldungen hat Zyperns Kirche aber kein Geld. "Wir haben Schulden in Höhe von 150 Millionen Euro", sagte Jannis Charilaou, Finanzchef des Erzbistums, am Freitag dieser Zeitung. Zwar hält Zyperns Kirche Anteile an einer Zementfirma, einer Brauerei und nicht zuletzt der einheimischen Hellenic Bank. Vor der Krise hätten die Dividenden aus diesen Firmenanteilen noch die Hälfte der Kircheneinnahmen ausgemacht, so Charilaou. "Seit 2011 aber machen die Firmen Verluste und wir bekommen keinen Dividenden-Euro."

Aber: Zyperns Kirche hat wertvolle Immobilien. Charilaou, der seit 1997 als Kirchen-Finanzchef fungiert, schätzt deren Wert auf "knapp zwei Milliarden Euro. Das ist moderat kalkuliert. Wir haben Grundstücke in bester Lage." Wer könnte sich dafür interessieren? Im Inland gebe es wohl kaum Interessenten, die ausreichend flüssig seien, gesteht Charilaou. Was bliebe, seien "potenzielle Investoren aus dem Ausland - zum Beispiel eine Bank".

Unterdessen verdichteten sich in Nikosia Anzeichen für ein Comeback der Zwangsabgabe auf Spar- und Termineinlagen bei Zyperns Banken. Noch am Dienstag war das von Zyperns Parlament ohne eine Ja-Stimme abgeschmettert worden. Am Freitag wurden jedoch erste Stimmen im Regierungslager laut, die eine Kombi-Lösung favorisieren. Demnach sollte die Troika den Soli-Fonds nebst Laiki-Bank-Verschlankung akzeptieren. Im Gegenzug würde Nikosia dem verhassten "Haircut" auf die Spar- und Termineinlagen doch zustimmen.

Diesmal sollen aber Guthaben bis zu 100.000 Euro unangetastet bleiben. "Von Seiten der Regierung gibt es die Bereitschaft, einer moderaten Zwangsabgabe zuzustimmen", sagte Transportminister Tassos Mitsopoulos von der konservativen Regierungspartei DHSY. Die Frage sei aber, ob die dafür erforderliche Parlamentsmehrheit erreicht werden könne.

Überdies melden sich bekennende Troika-Gegner im Parlament zu Wort. "Wir müssen offen über eine Lösung außerhalb der Troika und des EU-Rettungsmechanismus reden. Die EU-Partner lassen uns keine andere Wahl", sagte der einflussreiche Parlamentspräsident Jannakis Omirou von den EDEK-Sozialisten. Auch den Zyprioten ist aber klar: Die Zeit drängt. Denn schon seit mehr als einer Woche sind die Banken auf Zypern geschlossen. Kreditkarten werden nirgends mehr akzeptiert. Lediglich die Bankautomaten spucken noch Bargeld aus - bei der Laiki Bank höchstens 260 Euro pro Tag.

"Die Menschen kaufen nur das Nötigste ein. Milch, Brot, Butter. Sie haben einfach kein Geld", klagt Andreas Andreou, Chef einer Supermarkt-Kette.

Erst Banken, dann das Land

Angesichts des Chaos ruft Notenbank-Gouverneur Panikos Dimitriadis das Parlament auf, bis zur anvisierten Bankenöffnung am Dienstag eine Lösung mit der Troika zu finden.

Poly Polivios, ein landesweit bekannter Jurist, legt den Finger in die Wunde: "Auch wenn es uns schwer fällt: Wir müssen uns von unserem bisherigen Geschäftsmodell verabschieden. Ein so großer Bankensektor scheint mit den EU-Standards nicht vereinbar. Wir haben die Wahl: Wollen wir ärmer werden, aber in Europa bleiben, oder den Bankrott?" Polivios lapidar: "Ohne Europa werden am Dienstag die Banken, am Mittwoch die ganze Wirtschaft und dann das Vaterland ruiniert sein."