Gericht stuft Anlageberater als "verlängerten Arm" der Bank ein. | Nachfolgerin der Constantia-Bank legt Revision ein. | Wien. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers vor drei Jahren könnte jetzt für Österreichs Finanzdienstleistungsbranche brisante rechtliche Folgen haben. Denn: Der Oberste Gerichtshof (OGH) muss sich erneut mit dem Lehman-Währungszertifikat "Dragon FX Garant" auseinandersetzen, das die umstrittene Constantia Privatbank, heute Aviso Zeta Bank, als Depotbank unter die Leute brachte - unter anderem über den Finanzvertrieb AWD.
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Anwalt Andreas Köb hat im Namen zweier Anleger die Aviso Zeta Bank auf Rückabwicklung des Investments (47.000 Euro) geklagt, da die Anleger durch die Dragon-Verkaufsbroschüre der Constantia Privatbank und durch die fehlerhafte bzw. unrichtige Beratung des AWD über die Sicherheit dieses Wertpapiers irregeführt worden sein sollen. Diese gaben vor Gericht an, sie hätten das Investment nie getätigt, hätten sie um das tatsächliche Risiko des Papiers gewusst. Zur Erklärung: Das anleiheähnliche Instrument "Dragon FX Garant", das in fünf asiatische Währungen investierte, wurde mit den Slogans "100 Prozent Kapitalgarantie" und "Rückzahlung des Kapitals zu 100 Prozent garantiert" beworben; durch die Lehman-Pleite gehen die Investoren trotzdem leer aus.
Laut dem Urteil des Erstgerichts soll der AWD-Berater fälschlicherweise das Währungszertifikat als Produkt der österreichischen Constantia Privatbank vorgestellt und gemeint haben, "dass beim Dragon FX Garant überhaupt nichts passieren könne".
"Die depotführende Bank kann nichts dafür"
"Wenn der Wertpapierdienstleister Fehler gemacht haben sollte, was wir noch gar nicht wissen, kann die depotführende Bank nichts dafür", kontert Martin Oppitz, Anwalt der Aviso Zeta Bank. Die Bank habe nur als Depotbank fungiert, die Beratung habe der AWD gemacht. Das sei die Arbeitsteilung gewesen.
Das Oberlandesgericht Wien (Aktenzahl 4 R 276/10b) sieht das anders. Die Erfüllung der Verpflichtung zur Aufklärung durch die Bank "kann sich nicht durch die Übergabe von Informationsmaterial an den Berater oder in dessen Schulung erschöpfen", urteilten die Richter. Da die Bank in der Werbebroschüre "die Begebung" des Papiers in Partnerschaft mit Lehman betonte, vermittelte sie "gegenüber dem Kunden ihre (tatsächliche) Rechtsstellung als Verkäuferin". Folglich hätte der Kunde "Aufklärung erwarten dürfen".
Die Richter gehen allerdings noch einen Schritt weiter. "Wird die Information ausschließlich vom selbständigen Berater erteilt, muss die Bank mit einrechnen, dass der Käufer diese Information über das (Anlage-)Produkt so wahrnimmt, dass sie im Namen der Bank erteilt wurde", heißt es im Urteil des Oberlandesgerichts. "Die Kunden erleben den Vermittler bei der Produktinformation als deren verlängerten Arm." Nachsatz: "Fraglich erscheint daher schon, ob sich die Bank des Aufgabenbereiches Information der Kerndaten des Produktes überhaupt entledigen darf." Bank-Anwalt Martin Oppitz hat beim OGH Revision gegen das Urteil eingelegt. Anlegeranwalt Andreas Köb hat diese vor wenigen Tagen beantwortet. "Der AWD war unzweifelhaft die standardisierte Vertriebsschiene der Constantia Privatbank zum Vertrieb des Dragon FX Garant", schreibt Köb. "Auch in der Konstellation, in welcher eine Wertpapierfirma zwischen dem Anleger und der Bank steht, treffen die Bank Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten nach dem Bankwesengesetz." Nun ist der OGH am Zug.
Urteilsbestätigung hättebrisante Auswirkungen
"Wenn die Auffassung, die die Kläger vertreten, richtig sein sollte, dann wäre der Wertpapiervertrieb in Österreich ganz grundlegend umzustellen", sagt Bank-Anwalt Oppitz. "Denn dann würde keine Bank mehr mit einem externen Vermittler und Wertpapierdienstleister zusammenarbeiten wollen." Nachsatz: "Das gerät dann völlig aus dem Ruder, denn ich kann als Bank nicht Tag und Nacht überwachen, was der macht."