Die Nationalbank sieht in Osteuropa eine Reihe von Problemfeldern - den Rückzug anzutreten, empfiehlt sie aber nicht.
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Wien. Noch 2008, in dem Jahr, als die globale Finanzkrise ausbrach, flossen für Österreichs Großbanken de facto in jedem osteuropäischen Land Milch und Honig. Die Gewinne waren breit gestreut und der Höhe nach auch relativ gleichmäßig verteilt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Alles in allem wirft Osteuropa zwar nach wie vor Gewinne ab, die Substanz dieser Gewinne stammt aber nur noch aus einigen wenigen Ländern - konkret aus Russland, Tschechien und der Slowakei. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) sieht darin eine gewisse Gefahr, sich auf eine so geringe Zahl zu verlassen.
Dass im Osten Europas anders als früher längst nicht mehr alles eitel Wonne ist, zeigt sich auch daran, dass Österreichs Geldinstitute nach 2008 für faule Kredite insgesamt 44 Milliarden Euro an Risikokosten aufwenden mussten. Dies schmälerte ihren operativen Gewinn in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt um je zwei Drittel, 2013 sogar um 88 Prozent, wie dem neuen Finanzmarktstabilitätsbericht der OeNB zu entnehmen ist.
PulverfassFremdwährungskredite
Aus Sicht von Nationalbank-Vizechef Andreas Ittner gibt es zwei Gründe, warum Austrobanken in Osteuropa seit Jahren mit derart hohen Kreditrisikokosten konfrontiert sind. Zum einen sei die Dynamik ihrer Kreditvergabe zu Beginn des dortigen Engagements zu hoch gewesen (zumindest in einzelnen Ländern), womit Risiken teilweise vernachlässigt wurden. Und zum anderen hätten sie den Fokus zu stark auf Fremdwährungskredite gerichtet.
Laut Nationalbank beträgt das Volumen bei den als hochriskant geltenden Fremdwährungskrediten trotz zuletzt rückläufiger Tendenz noch immer gut 74 Milliarden Euro, das sind 43 Prozent aller von österreichischen Banken in Osteuropa vergebenen Kredite. Die Folgen sind vor allem im benachbarten Ungarn zu spüren, wo gesetzliche Sonderregelungen zugunsten von Fremdwährungskreditnehmern den Töchtern der Erste Group und der Raiffeisen Bank International seit Jahren tiefrote Zahlen bescheren.
Gerade wegen Ungarn und auch Rumänien hat die Erste vor wenigen Tagen einen Konzernverlust von bis zu 1,6 Milliarden Euro für das Gesamtjahr 2014 angekündigt. Grund dafür sind massive Kredit- und Firmenwertabschreibungen.
Bereits Monate davor hatte die Bank Austria in ihrer Bilanz für 2013 die Firmenwerte sämtlicher Ostbankentöchter auf null abgeschrieben. Was sie zwar als "Befreiungsschlag" bezeichnete, ihr aber einen Rekordverlust in Höhe von 1,6 Milliarden Euro eintrug.
"BetriebswirtschaftlicheErfolgsstory"
Milliardengrab Osteuropa? Nationalbank-Chef Ewald Nowotny sieht das nicht so. Mit Blick auf das dortige Engagement der österreichischen Banken sprach er am Montag bei der Vorlage des neuen Finanzmarktstabilitätsberichts trotz der jüngsten Milliarden-Abschreibungen von einer "betriebswirtschaftlichen Erfolgsstory". Gleichzeitig räumt Nowotny jedoch ein, dass der Wirtschaftsraum Osteuropa inhomogen sei und es von Land zu Land "unterschiedliche Risikoprofile" gebe.
Abgesehen von einigen wenigen Ländern hält Notenbank-Vize Ittner jetzt auch nicht den Zeitpunkt für gekommen, Rückzugspläne zu verfolgen. Künftig müsse das Wachstum in Osteuropa aber nachhaltig sein. Es könne nicht wie vor der Krise so finanziert werden, dass im Westen billiges Geld aufgenommen und das dann "durchgereicht" werde.
Was die Nationalbank den heimischen Instituten daneben weiterhin empfiehlt, ist das Aufpolstern ihrer Kapitaldecke. Kapitalerhöhungen und Risikoabbau hätten die Situation 2013 zwar verbessert. "Dennoch sind die österreichischen Banken im internationalen Vergleich nach wie vor unterdurchschnittlich kapitalisiert", sagt Ittner. Der Abstand zu vergleichbaren europäischen Banken habe sich sogar vergrößert. Bei österreichischen Instituten lag die Kapitalquote (Tier 1) zuletzt im Schnitt bei 11,4 Prozent, bei der Vergleichsgruppe aber bereits bei 13,6 Prozent. Ittner betont, dass der Kapitalisierungsgrad mittlerweile ein "Wettbewerbsfaktor" sei - mit Auswirkungen auf die Refinanzierungskosten von Banken.
Banken zu wenigprofitabel
Handlungsbedarf sieht die OeNB aber auch bei der Profitabilität. Die Erträge seien zu gering, bemängelt sie einmal mehr. Die Notenbank drängt die heimischen Institute daher, mehr auf der Kostenseite zu tun. Laut Ittner ist Österreich europaweit "das Land mit den niedrigsten Margen". Für ein stabiles Bankensystem sei es aber notwendig, höhere Margen zu erzielen. Auch eine stärkere Konsolidierung mahnt die OeNB vor diesem Hintergrund ein. Mit derzeit 790 Banken gebe es hierzulande zu viele am Markt.
Neben einem stärkeren Kapitalaufbau sind die hiesigen Geldinstitute ab 2015 gezwungen, im Rahmen der europäischen Bankenunion sowohl einen Abwicklungs- als auch einen Einlagensicherungsfonds zu dotieren. Dass sie auch noch Bankensteuer zahlen müssen (zuletzt waren es mehr als 600 Millionen Euro), könnte sie überfordern. Nowotny spricht das so nicht aus, betont aber: "Es wird eine Lösung geben müssen." Diese Lösung zu finden, sei jedoch "Aufgabe der Fiskalpolitik", nicht der Notenbank.
Über die finanziellen Beiträge der europäischen Banken für den Abwicklungsfonds berät der EU-Finanzministerrat heute, Dienstag. Allerdings sind noch keine fixen Entscheidungen vorgesehen, da ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission erst für September erwartet wird. Generell soll der europaweite Abwicklungsfonds nach acht Jahren mit insgesamt 55 bis 60 Milliarden Euro gefüllt sein.