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In Chile unterhalten sich also Bankenaufsichtsbehörden und Finanzpolitiker über eine erneute Verschärfung der Kapitalregeln für Geldinstitute. Recht so, sollte man meinen: Die Banken dürfen nie wieder der Allgemeinheit auf der Tasche liegen. Doch der Satz ist ein bisschen vorschnell, denn das "Basel IV" genannte Regelwerk soll bereits bis Jahresende unter Dach und Fach sein. Und es wird die Bankkunden vor völlig neue Herausforderungen stellen, von denen die meisten nicht die geringste Ahnung haben.
Klein- und Mittelbetriebe sowie Privatkunden sind es gewohnt, ihre Anschaffungen mit Krediten zu finanzieren. Sie gehen also zur Bank.
Mit den kommenden Regeln wird dies deutlich schwieriger. Denn Kreditrisiko wird "bestraft" werden. Wenn die Bank damit Zinsgeschäfte spekulativer Natur macht, wird auch dies "bestraft" - alles in Form strengerer Kapitalvorschriften. Diese Kapitalkosten werden am Ende bei den Kunden landen, Kredite werden also entweder teurer, oder es werden so hohe Sicherheiten verlangt, dass man sich fragen muss, wozu es überhaupt einer Bank bedarf. In einer Welt steigender Markt- und Jobunsicherheit wird dies bedeuten, dass mehr Menschen und Firmen als bisher schlicht keine Kredite bekommen.
Die Banken selbst haben bisher wenig unternommen, um die Kunden darüber zu informieren. Das Bankgeschäft mitteleuropäischer Natur transformiert sich endgültig ins Bankgeschäft amerikanischen Zuschnitts. Anleihen und vergleichbare Schuldenobligationen werden im Firmengeschäft Kredite ersetzen. Das wird Eigentümer-Unternehmen vor die Notwendigkeit stellen, eine zu publizierende Transparenz an den Tag zu legen, auf die viele im klassischen KMU-Bereich nicht ansatzweise vorbereitet sind.
Hier treffen eine realwirtschaftliche Entwicklung und Finanzregulierungen aufeinander, die nicht zusammenpassen. Der Umbau von Systemen funktioniert am besten in Zeiten der Ruhe, also der Hochkonjunktur. Nun trifft ein aberwitzig niedriges Zinsumfeld auf trotzdem schwache Konjunktur - und mittendrin müssen die Banken ihr Geschäftsmodell umbauen. Das ist eine nicht ungefährliche Mischkulanz. Dass dies ausgerechnet Bankenaufsichtsbehörden und Notenbanken betreiben, deren Kerngeschäft die Stabilität ist, verwundert. Denn ohne stabile Wirtschaftsentwicklung gibt es auch keine stabilen Banken.