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Bankenkrise hat Europa voll erfasst

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Staatliche Hilfen in Belgien, Deutschland, Großbritannien. | Teilverkauf der US-Bank Wachovia an die Citigroup. | Berlin/Brüssel. Das Banken-Karussel dreht sich immer rascher. In schwindelerregendem Tempo wird die Finanzwelt neu geordnet - nicht nur in den USA: Die Bankenkrise hat auch Europa voll erfasst.


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Am Montag gerieten Geldinstitute reihenweise in den Strudel der Finanzmarktturbulenzen. Bereits mittendrin steckt die Münchner Hypo Real Estate (HRE): Nur durch eine 35-Milliarden-Euro-Bürgschaft von Bund und Banken konnte der deutsche Immobilienfinanzierer vor dem Aus gerettet werden - eine ähnliche Lösung wie jene, mit der in Österreich die Bawag gerettet wurde. Die Probleme des DAX-Konzerns rühren vor allem von der irischen Tochter Depfa (vormals Deutsche Pfandbriefanstalt) her. Diese finanziert öffentliche Haushalte und Infrastrukturprojekte, bekam aber aufgrund der jüngsten Vertrauenskrise Probleme mit der kurzfristigen Refinanzierung. HRE hatte Depfa erst im Oktober 2007 für 5 Mrd. Euro übernommen.

Benelux rettet Fortis

Der belgisch-niederländische Finanzkonzern Fortis wurde in einer Gemeinschaftsaktion mehrerer Länder vor dem Zusammenbruch bewahrt: Die Regierungen Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs legten insgesamt 11,2 Milliarden Euro auf den Tisch und halten dafür nun 49 Prozent der jeweiligen Fortis-Institute in ihren Ländern. Der erst 2007 übernommene Teil der niederländischen Bank ABN Amro wird wieder verkauft.

Sorgen gibt es auch beim französisch-belgischen Staatsfinanzierer Dexia: Dessen Schicksal sollte sich am Montagabend bei einer Aufsichtratssitzung entscheiden. Frankreich und Belgien haben bereits zugesagt, notfalls auch bei Dexia unterstützend einzugreifen. Vermögensverkäufe sind ebenfalls im Gespräch.

Österreich soll davon allerdings nicht betroffen sein: Hier hält Dexia eine 49-Prozent-Beteiligung an der Kommunalkredit, mit der sie zudem das Osteuropa-Geschäft gemeinsam betreibt (Dexia-Kom). Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sieht Kommunalkredit-Vorstand Reinhard Platzer für sein Institut keine Auswirkungen: "Dexia hat uns versichert, es werde nicht an einen Verkauf der strategischen Beteiligung gedacht." Allenfalls seien die Wachstumsprognosen der Kommunalkredit gefährdet: "Seit fünf, sechs Tagen trocknet der Refinanzierungsmarkt völlig aus. Sollte diese Situation länger andauern, könnten wir nicht mehr so viele Angebote zur Kreditfinanzierung legen und müssten unsere Erwartungen senken." Schon jetzt gebe es spürbar weniger Mitbewerber: "Wir haben bereits in den letzten Monaten gesehen, dass die Depfa nicht mehr so aktiv ist wie früher." Die vor wenigen Tagen beschlossene Kapitalerhöhung bleibe aufrecht: Die Eigentümer hatten eine Kapitalerhöhung von 95 Mio. Euro für die Kommunalkredit Austria und 60 Mio. Euro für die Osteuropatochter Dexia-Kom beschlossen.

Die Mehrheit an der Kommunalkredit liegt in Händen der Volksbanken-AG (50,78 Prozent), der Österreichische Gemeindebund hält 0,22 Prozent.

Briten fangen B&B auf

In Großbritannien springen die Steuerzahler nach der Verstaatlichung der Hypothekenbank Northern Rock im Februar erneut ein: Um die Pleite der Hypothekenbank Bradford & Bingley (B&B) zu verhindern, übernahm die Regierung faule Kredite in Höhe von 50 Mrd. Pfund (63 Mrd. Euro). Die Spareinlagen und das Filialnetz werden für 770 Mio. Euro vom spanischen Bankenriesen Santander übernommen.

Unterdessen ist auch die viertgrößte US-Bank Wachovia ein Opfer der Spekulationen mit faulen Hauskrediten: Wachovia musste einen großen Teil ihres Bankengeschäfts an die (ebenfalls amerikanische) Citigroup verkaufen. Diese übernimmt Wachovia-Verluste in Höhe von bis zu 42 Mrd. Dollar (29 Mrd. Euro).

Jeden darüber hinaus gehenden Verlust soll der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) tragen, der im Gegenzug Aktien der Citigroup erhält. US-Finanzminister Henry Paulson erklärte, eine Wachovia-Pleite wäre ein zu großes Risiko gewesen. Die Regierung werde weiter alles tun, um das Finanzsystem und die Wirtschaft zu schützen.