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Bankenpleite soll bald geregelt werden

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Regeln für Aktionäre und Genossenschafter.
| Gemeinsame Einlagensicherung für alle Banken angedacht.


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Wien. Die Regierung will bis Sommer ein Banken-Insolvenzrecht beschließen, aber recht viel mehr als das Vorhaben gibt es bisher dazu nicht. Die Chefs der heimischen Kreditinstitute beklagen, dass es eine angekündigte Arbeitsgruppe bis heute nicht gibt, obwohl ein solches Gesetz tief greifende Änderungen mit sich bringen wird. "Diese Arbeitsgruppe ist so geheim, dass niemand weiß, wer drinnen sitzt", ätzt ein Wiener Bankchef.

Konkret geht es dabei um die Frage, wie bei der Schieflage einer Bank gehandelt werden soll, ohne dass ständig der Staat einspringt. Das Thema gewann an Fahrt, als vor wenigen Wochen die Volksbank AG quasi verstaatlicht werden musste und eine Milliarde in die Bank einfloss.

Das Gesetz soll nun die Frage klären, welche Geschäftsbereiche einer Bank schützenswert sind und welche nicht. Ersteres würde vermutlich das normale Kundengeschäft umfassen. Diese klassische Bank würde weitgehend der Aufsichtsbehörde unterstellt, welche diese Bank über einen längeren Zeitraum liquidiert und Teile verkauft oder insgesamt saniert und weiter verkauft.

Risikoreiche Handelsaktivitäten würden demnach nicht weitergeführt werden und den Altaktionären überlassen.

Was sich logisch und schlüssig anhört, ist in der Umsetzung aber enorm komplex - und hat Auswirkungen auch auf die Kunden der Bank. Beispiel Kundenvermögen: Wer ein Sparbuch hat, wird wohl nicht nur von der Einlagensicherung, sondern auch per Gesetz geschützt werden. Wer allerdings mit seinem Geld Anleihen dieser Bank gekauft hat, könnte sich unversehens recht weit hinten auf der Gläubigerliste wiederfinden - und bangen, ob er sein Geld zur Gänze wieder sieht. Ob es in diesem Bankeninsolvenzrecht also bevorrechtete Gläubiger geben wird und wer diese sind, muss erst geklärt werden.

"Drei Jahre nichts passiert"

"Der Zeitplan scheint mir sehr ambitioniert. Zuerst ist drei Jahre nichts passiert, jetzt muss es in wenigen Wochen sein", sagte Willibald Cernko, der soeben wiederbestellte Chef der Bank Austria. Aus der Raiffeisen Zentralbank ist nur zu hören, dass man eine "harmonisierte Lösung auf EU-Ebene" präferieren würde. Die wird zwar diskutiert, eine Umsetzung scheint aber in weiter Ferne. Die EU-Staaten haben - unter dem Eindruck der Finanzkrise, bei der etliche Banken aufgefangen werden mussten - mit nationalen Lösungen begonnen. In Deutschland und Großbritannien sind diese Modelle recht weit gediehen.

In Österreich gibt es dabei eine Besonderheit, die dezentralen Sektoren wie Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken. Bei den beiden letzten bilden Genossenschafter das Rückgrat, allein Raiffeisen hat 2,1 Millionen Genossenschafter. Sie zeichneten bei ihrer Bank Geschäftsanteile. Was kaum jemand weiß: Im Falle einer Insolvenz gibt es eine Haftsumme, die meist das Doppelte des gezeichneten Nennwerts beträgt. Während also ein Aktionär im Ernstfall den Wert der Aktie verliert, könnten Genossenschafter theoretisch darüber hinaus noch haftbar gemacht werden.

Das ist den Kunden und Eigentümern dieser Primärbanken kaum bewusst, muss aber jetzt in dem Bankeninsolvenzrecht geregelt werden. Dem Vernehmen nach will Raiffeisen eine Ausnahme für Genossenschaftsanteile, tatsächlich aber hat der Diskussionsprozess darüber noch nicht einmal begonnen.

Und der sollte wohl auch nicht sehr laut geführt werden, weil vermutlich viele Kunden bei ihrer Genossenschaftsbank nachfragen würden, mit welchem Betrag sie eigentlich haften. Denn diese Anteile begründen natürlich Eigentum, und das kann - wie bei der Aktie - verloren gehen. Darauf verzichten werden die Raiffeisenbanken aber auch nicht wollen, denn diese Haftsumme kann zu 75 Prozent dem Eigenkapital der Bank zugeschlagen werden. Eine Reduzierung der Haftsumme hätte also Auswirkungen auf die Eigenmittelausstattung der Raiffeisen Bankengruppe Österreich und der Volksbanken.

Zu verdanken haben die Banken die Diskussion der Volksbank AG (ÖVAG). Nachdem im dortigen Sektor mehr als ein Jahr diskutiert wurde, was zu tun wäre, war es sehr eng geworden. Die Bank wurde aufgefangen, der Republik gehören jetzt offiziell 44 Prozent, in Wahrheit aber die Mehrheit, da ein Teil des staatlichen Kapitals (noch) nicht gewandelt ist.

Die Regierung hat daraufhin die Bankenabgabe erhöht, die Institute sollen die Kapitalkosten für die Volksbank-Rettung selber tragen. "Eine Volksbank-Pleite wäre ein Milliardengrab geworden", sagte Finanzministerin Maria Fekter nach der Rettungsaktion.

Angst vor Pleite-Kaskade

Die Genossenschafter der Volksbanken kamen mit einem blauen Auge davon. Ursprünglich wollte die Regierung, dass diese Eigentümer mitzahlen. Allerdings hätte dafür zuerst die ÖVAG pleitegehen müssen, und danach wären wohl einige der 62 Volksbanken insolvent gewesen. Und erst das hätte die Haftung ausgelöst.

Vor einer derartigen Pleite-Kaskade schreckte die Politik zurück. Auch die Nationalbank warnte dem Vernehmen nach vor einem "Bank-run", also dem panischen Abheben von Sparguthaben. Wenn eine Bank dadurch in kurzer Zeit viele Mittel verliert, kann sie manche Geschäfte nicht finanzieren und insolvent werden, obwohl sie die Kapitalquote erfüllt.

Um dies zu verhindern, soll es nun ein Banken-Insolvenzrecht geben. Darin soll auch der Einfluss der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht ausgebaut werden. Die Aufsicht soll eine Art Frühwarnsystem darstellen, um bei Fehlentwicklungen rasch eingreifen zu können - und eine tatsächliche Insolvenz zu verhindern.

Auswirkungen wird das Gesetz auch auf die Einlagensicherung haben. Derzeit garantiert der Staat bei physischen Personen die Sparguthaben bis 100.000 Euro. Allerdings erst im Insolvenzfall. Davor haben die Sektoren eigene Einlagensicherungssysteme aufgebaut. Wenn etwa eine kleine Sparkasse oder Raiffeisenbank in Schieflage gerät, wird dies meist diskret im Sektor gelöst, Kunden verlieren kein Geld - und kriegen es häufig gar nicht mit. Was ganz im Sinne des Erfinders ist, denn das Bankgeschäft ist Vertrauenssache, und Pleitefälle würden dieses Vertrauen ankratzen.

Da ein Bankeninsolvenzrecht auch die Einlagensicherung betrifft, denkt man in der EU und auch in Österreich daran, einen Einlagensicherungsfonds über alle Institute drüberzuspannen. Sparkassen und Raiffeisen bekämpfen diesen Plan wütend und bisher mit Erfolg. Notenbanker rechnen aber, dass es Derartiges geben wird, allerdings frühestens im Herbst. So wie möglicherweise das Banken-Insolvenzrecht, denn die Kreditinstitute wollen gefragt werden und die Sache über den Sommer diskutieren. Die Regierung hält am Termin Juni allerdings fest.