Großbritannien und Frankreich wollen Banker-Boni weltweit besteuern. | Merkel: "Eine charmante Idee." | Aufschrei in Londons "City": Finanzwelt droht mit Abwanderung. | London/Wien. Die Pläne, Banker-Gehälter mit einer hohen Sondersteuer zu belegen, lösen wütende Proteste in der britischen Finanzwelt aus: Diese "politisch motivierte" Steuer komme einem Beschäftigungsprogramm für Frankfurt, Paris und Zürich gleich, heißt es in der "City of London" - die Finanzszene droht offen mit Abwanderung. | Banker-Boni: Gordon Browns riskante Attacke auf die City of London
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Nur Steuerzahler haben Bonusgelder ermöglicht
So warnte John Varley, Chef der Großbank Barleys, vor einem Exodus der besten Köpfe: "Die richtige Balance in der Finanzmarktregulierung ist lebensnotwenig, um Londons Position als führendes Finanzzentrum aufrechtzuerhalten."
"Steuern sind ein sehr stumpfes Instrument", sagte auch Richard Waugh vom Internationalen Bankenverband IIF: Er warnt vor einer Wettbewerbsverzerrung, wenn Länder unterschiedliche Vergütungsregeln beschließen.
Großbritannien blieb mit seinem Vorstoß allerdings nicht alleine: Medienberichten zufolge wälzt auch Frankreich bereits konkrete Pläne über eine Sondersteuer für Prämien über 27.000 Euro, die wie im Vereinigten Königreich mit 50 Prozent besteuert werden sollten, berichtete die Wirtschaftszeitung "Les Echos". Das französische Präsidial amt bestätigte das Vorhaben grundsätzlich, nur die Details seien noch offen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nannte den britisch-französischen Vorschlag "eine sehr charmante Idee, die vielleicht manchen Lerneffekt befördern würde." Pläne für eine Sonderabgabe gibt es in Deutschland, wo die Millionengehälter der Banker ohnehin mit dem Spitzensatz von fast 50 Prozent besteuert werden, bisher nicht. Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte sich jedoch in dieser Woche dafür ausgesprochen, die Anreizstrukturen in den Banken stärker am langfristigen Erfolg auszurichten.
Die Debatte über Banker-Gehälter hatte am Donnerstag einen massiven Anstoß durch den britischen Premier Gordon Brown und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy erhalten: In einem gemeinsam gezeichneten Kommentar im "Wall Street Journal" schlugen sie weltweit eine einmalige Sondersteuer vor. Die Argumentation: Die hohen Bonus-Zahlungen für 2009 seien teils nur dank der staatlichen Bankenrettungs-Maßnahmen zustande gekommen - und somit auf Kosten der Steuerzahler. Es sei unzumutbar, diese im Wirtschaftsabschwung die Rechnung begleichen zu lassen, während die Eigentümer und Angestellten der Banken bei der Erholung alle Gewinne einstreiften.
Die Initiative erfolgte zeitgerecht vor dem EU-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. In einem Schreiben an die Amtskollegen präzisierte Brown seine Vorstellungen über einen neuen sozialen "Vertrag", der für eine nachhaltigere Finanzwelt sorgen soll.
Dafür bedürfe es freilich einer globalen Koordination: Die beiden namhaften Autoren wollen den Internationalen Währungsfonds (IWF) in die Planung einbinden und den Vorschlag beim Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) in Südkorea nächstes Jahr diskutieren.
Finanzierung der UNO-Ziele und Klimaschutz
Als Verwendungszweck schlagen Sarkozy und Brown die Finanzierung der UN-Millenniumsziele (die von Armutsbekämpfung über globale Initiativen für Gesundheit und Bildung bis zu ökologischer Nachhaltigkeit reichen) oder den Kampf gegen den Klimawandel vor.
Diese Ziele werden mit der britischen Einmal-Steuer freilich nicht zu finanzieren sein: Die Abgabe wird 20.000 Banker treffen und soll 550 Millionen Pfund einbringen, schätzt Finanzminister Alistair Darling - umgerechnet etwas mehr als 600 Millionen Euro. Angesichts der britischen Neuverschuldung 2009 von 197 Milliarden Euro ein marginaler Betrag.
Besteuert werden nur Bonuszahlungen, die über 25.000 Pfund hinausgehen - und es gelten zahlreiche Ausnahmen: So seien Hedgefonds-Manager, Versicherer und Banker mit einem garantierten Bonus von der Steuer ausgenommen. Einige britische Beobachter ziehen deshalb die Ernsthaftigkeit des Vorstoßes in Zweifel: Die Aktion sei eher als Geste gedacht - vor allem der Hinweis, dass die Bonibeschränkung "global" eingeführt werden müsse, gilt als Hinweis, dass der Vorschlag wenig Chance auf Umsetzung habe.
In Österreich liegen die Spitzensteuersätze ohnehin bei 50 Prozent - eine Steuer analog dem britischen Modell ist somit obsolet. Kanzler Werner Faymann hatte allerdings angekündigt, die steuerliche Absetzbarkeit von Managerbezügen mit 500.000 Euro begrenzen zu wollen. Im Kanzleramt sieht man sich bestätigt: "Die Initiative aus London und Paris und die Wortmeldungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zeigen, dass unsere Position in Europa durchaus mehrheitsfähig ist", sagt Kanzlersprecher Leo Szemeliker.