Deutlicher Anstieg von Arbeitslosen in der Gruppe der über 55-Jährigen.
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Wien. Das Alter von betagten Damen zu schätzen, gehört sich nicht, aber man tut es doch, still, für sich. Und zumindest 75 Jahre wird die Dame schon gewesen sein, die hinter der Supermarktkassa die Waren einpackt und die vollen Sackerl mit einem freundlichen "Have a nice day" überreicht. "Baggers" nennt man diese Einpacker, die in den USA zwar traditionell Teenager, aber immer öfter auch Menschen im Pensionsalter sind. Es ist eine der Folgen der Finanzkrise, die viele private Pensionen aufgefressen hat, sodass die Bezieher nun wieder arbeiten müssen. Und sei es für ein paar Dollar im Supermarkt.
Doch das sind Zustände in den USA, hierzulande taugen sie aber allemal als eine Art Horrorszenario, dass eben das Arbeitsleben nie endet, weil die Pension nicht mehr zum Leben reicht. Und Kassandrarufer sehen derartige Zeiten bereits heraufdräuen. Zum einen, weil das Pensionssystem aufgrund der demografischen Entwicklung zu teuer wird, zum anderen, weil der (qualifizierte) Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer keine günstigen Rahmenbedingungen bietet.
Dass es notwendig sein wird, das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen, ist mittlerweile relativ unstrittig, und die Stimmen mehren sich, dass man in Zukunft auch das gesetzliche Pensionsalter an die gestiegene Lebenserwartung anpassen sollte. In Deutschland hat der Bundestag die schrittweise Erhöhung bis auf 67 Jahre beschlossen.
Angesichts der Arbeitslosenzahlen im Oktober - und nicht nur dieser - liegt die Annahme nahe, dass eine Steigerung des Rentenalters auch eine Auswirkung auf den Arbeitsmarkt haben wird. In keiner Altersgruppe ist die Arbeitslosigkeit derart gewachsen wie bei den über 50-Jährigen. Zwar steigt seit Jahren die Erwerbsquote von älteren Arbeitnehmern, allerdings ist dies vor allem dem demografischen Wandel geschuldet. Der Arbeitsmarkt ist älteren Beschäftigten dagegen nicht freundlich gestimmt.
Länger im Unternehmen
Wie Gernot Mitter, der stellvertretende Leiter der Arbeitsmarktabteilung der Arbeiterkammer Wien, recherchierte, machen die über 55-Jährigen lediglich 8 Prozent aller Erwerbstätigen aus, der Anteil dieser Gruppe an allen Menschen im erwerbsfähigen Alter beträgt hingegen 16 Prozent. "Dieser deutliche Unterschied macht uns Sorgen", sagt Mitter.
Es gibt durchaus Beispiele von Unternehmen, die auf die Entwicklung reagiert haben. Die Voest hat etwa vor zehn Jahren das Programm "LIFE" ins Leben gerufen. Es richtet sich nicht nur an ältere Arbeiter, sondern soll durch diverse Maßnahmen, beginnend bei den Lehrlingen, ein längeres Arbeiten in Gesundheit und mit Motivation ermöglichen. "Prinzipiell geht es darum, den Beschäftigten so lange in seinem Bereich zu behalten, bis er in Pension geht", sagt Voest-Sprecher Peter Felsbach.
Bei der Erste Bank ist man auch um Alternativen bemüht, sollte sich die Motivation gegen Ende des Erwerbslebens reduzieren. Wer nach Jahrzehnten keine Verkaufsgespräche mehr führen will, kann etwa zum Coach für junge Mitarbeiter werden. Auch eine betriebliche Altersteilzeit sowie eine geringfügige Beschäftigung von bereits pensionierten Mitarbeitern ist im Programm der Erste Bank vorgesehen.
Dass ein relativ früher Abschied in die Pension Arbeitsplätze für Junge schafft, mag logisch klingen, macht die These aber nicht richtig, sie ist sogar nachweislich falsch. Und immerhin: Es gibt so etwas wie einen die Parteigrenzen überschreitenden Willen, das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen sowie Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt zu setzen, um ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu halten.
Malus-System für Betriebe?
Über die Wege dorthin streiten aktuell die Sozialpartner sowie SPÖ und ÖVP in den Koalitionsverhandlungen. Für die Arbeiterkammer geht es nur mit einem Bonus-Malus-System für Unternehmen, wie es bereits in den Niederlanden existiert. "Betriebe brauchen empfindliche Anreize, damit sie Ältere aufnehmen. Die Arbeitnehmer werden eh schon zur Kassa gebeten, es fehlt uns aber das Pendant bei den Unternehmen", sagt Mitter. Auch Gewerkschaft und Grüne rufen nach dem niederländischen System.
Dieses besagt, dass sich ein Arbeitgeber, der nicht eine bestimmte Mindestquote von älteren Beschäftigten nachweisen kann, in irgendeiner Form an den gesellschaftlichen Kosten beteiligen muss. Auf der anderen Seite soll es eben auch Förderungen und diverse Boni, etwa bei Lohnkosten, für jene Betriebe geben, die die Quote erfüllen. Derzeit gibt es nur ein eher zaghaftes Bonus-System für Unternehmen, ohne Malus - und auch ohne Wirkung.
IV lehnt Modell ab
Die Industriellenvereinigung sieht in diesem System "keine Lösung", wie Generalsekretär Christoph Neumayer sagt. Die Betriebe seien durchaus bereit, ältere Arbeitskräfte einzustellen, allerdings würden die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies erschweren, sagt Neumayer und nennt die "hohen Lohn- und Arbeitszusatzkosten" sowie die geltenden Pensionsregelungen. "Solange das Pensionssystem einen Pensionsantritt weit unter dem Regelpensionsalter zulässt, werden wir dieses System kaum nachhaltig finanzierbar gestalten können", erklärt Neumayer.
Einen gemeinsamen Nenner haben die Positionen der Streitparteien: Ohne Druck wird sich kaum etwas ändern. Die entscheidende Frage ist, wer diesen Druck spüren soll? Arbeitnehmer oder Arbeitgeber?