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Bar zahlen, das neue Rauchen?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Dass Bargeld eines Tages verboten wird, wird immer wahrscheinlicher. Leider.


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Frankreichs Regierung verbietet ihren Bürgern ab September, Rechnungen über 1000 Euro bar zu begleichen, künftig sind dafür nur noch Überweisungen oder Kreditkarten erlaubt. Bares ist dann in Frankreich nur noch Wahres, wenn es um Bagatellbeträge geht.

Derartige Bargeldverbote ab gewissen Limits gibt es schon jetzt in Griechenland, Spanien und Italien; auch Schweden verdrängt den Geldschein systematisch aus dem Leben seiner Bürger, dort nehmen mitunter nicht einmal mehr Busfahrer noch Bargeld. Auch Bankfilialen werden immer mehr auf bargeldlosen Betrieb umgestellt.

Damit wird in Europa immer wahrscheinlicher, was der renommierte Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff jüngst gefordert hat: ein gänzliches Verbot von Bargeld. "Zunächst wird es zu einer Begrenzung des Bargeld-Haltens und anschließend zur Abschaffung des Bargeldes kommen," prophezeit auch Robert Halver, Chefökonom der deutschen Baader-Bank, für Europa.

Begründet wird diese weitere Beschneidung bürgerlicher Freiheitsrechte üblicherweise mit der Notwendigkeit, Terroristen, Geldwäschern und Steuerhinterziehern so besser das Handwerk legen zu können. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin verstieg sich gar zur Behauptung, das teilweise Bargeldverbot ab September sei notwendig geworden, weil die "Charlie Hebdo"-Attentäter ihre Mordinstrumente mit Barem erworben hätten.

Aber nicht nur Terroristen und Geldwäscher haben guten Grund, einem Bargeldverbot eher skeptisch gegenüberzustehen, auch dem Bürger ohne kriminelle Neigungen droht Ungemach. Denn ohne Bares wird das Leben jedes Bürgers für die Obrigkeit so genau nachvollziehbar und sichtbar wie die sekundären Geschlechtsmerkmale einer Frau im Nacktscanner am Flughafen. Da bleibt dann nichts, aber auch gar nichts mehr dem Auge der Behörden verborgen; sämtliche Möglichkeiten des Missbrauchs natürlich eingeschlossen.

Zusammen mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses ist ein Bargeldverbot quasi die Atombombe im Krieg des Staates gegen die Privatsphäre seiner Bürger. Umso erstaunlicher ist, dass der sukzessive Abschied vom Bargeld nirgends in Europa zu größerer Empörung geführt hat, während gleichzeitig jeder Angriff auf die "informationelle Selbstbestimmung" durch staatliche Schlapphut-Trupps regelmäßig zu moralischem Hyperventilieren führt.

Ungemach bedeutet ein Bargeldverbot aber auch, weil es dem Bürger eines der letzten Werkzeuge gegen die für Sparer und Anleger verheerenden Folgen der EZB-Geldpolitik aus der Hand nimmt. Denn gegen Negativzinsen, wie sie in Zukunft wohl immer üblicher werden, kann er sich heute noch wehren, indem er sein Konto abräumt und stattdessen Bares im Safe bunkert. In der Schweiz lösten die Negativzinsen deshalb einen regelrechten Boom von Banksafes aus. Damit ist es natürlich vorbei, wenn das Bargeld abgeschafft wird. Ist der Fluchtweg ins Cash abgesperrt, kann der Sparer nur noch hilflos zusehen, wie sein Kontostand sinkt und sinkt, ohne dass er etwas abgehoben hätte.

Bares ist in der bizarren Welt der Negativzinsen eben ganz besonders Wahres. Zumindest, solange es noch nicht verboten ist.