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Barack Obama ist erst bei der Vorspeise

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Der US-Präsident ist bei der Lösung der vier großen außenpolitischen Herausforderungen - dem israelisch-palästinensischen Konflikt, Irak, Iran und Afghanistan - erst am Anfang.


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Die ersten sechs Monate sind vorbei: Wie sieht die außenpolitische Zwischenbilanz von US-Präsident Barack Obama aus? Gut, sagen einige Experten, was die Verbesserung des angeschlagenen Images der USA im Ausland betrifft. Aber sie warnen auch, dass die harten Brocken erst kommen.

Applaus für Obamas Fortschritt bei der Verringerung des Anti-Amerikanismus kommt auch von Brent Scowcroft, dem nationalen Sicherheitsberater der republikanischen Präsidenten Gerald Ford und George H. W. Bush. "Die Stimmung musste Obama zuerst angehen, und ich denke, das hat er großartig gemacht", sagt Scowcroft.

Großes Lob kommt auch von Zbigniew Brzezinski, der nationaler Sicherheitsberater beim demokratischen Präsidenten Jimmy Carter war. Allerdings gibt Brzezinski zu bedenken, dass die Imageverbesserung der leichte Teil der Arbeit war: Der Start sei gut gewesen, aber es sei zu früh, um sagen zu können, ob die Entschlossenheit ausreichte.

Das Problem, das auf Obamas Außenpolitik zukommt, hat etwas von einem Subprime-Kredit - tut mir leid, das jetzt sagen zu müssen. Der Anfang ist billig und bequem: Die Welt ist erleichtert, eine neue amerikanische Stimme zu hören, und Obama hat große Erwartungen geweckt, auch schwierige Probleme lösen zu können. Aber nun geht es ans Bezahlen der großen "Blase", kostspielige Entscheidungen stehen für Amerika und seine Partner bevor.

Diese Gefahr, dass Erwartungen und ihre Erfüllung zu sehr auseinanderklaffen könnten, ist bei den vier großen außenpolitischen Herausforderungen, die vor Obama liegen, nicht zu übersehen: dem israelisch-palästinensischen Problem, Irak, Iran und Afghanistan.

Obama hat Israel gedrängt, die Siedlungsaktivitäten einzustellen, um die Araber zu Konzessionen anzuspornen und den Ball in Richtung Friedensabkommen in Bewegung zu setzen. Aber die arabische Seite will von ihm einen Big Bang, indem er den Rahmen für einen Palästinenserstaat konkretisiert. Wenn Obama diesen entscheidenden Schritt macht, verliert er die Unterstützung Israels; macht er ihn nicht, verliert er die Unterstützung der Araber.

Im Irak verfolgt Obama weiter seinen Plan des Truppenabzugs. Als man im Weißen Haus vergangenen Monat nervös wurde wegen der nur langsam anlaufenden politischen Aussöhnung unter den Irakern, schickte man Vizepräsident Joe Biden als Sondergesandten. Das machte das Problem sichtbarer, aber es ist immer noch unklar, vor allem für die Iraker, wie sehr sich die USA in Zukunft am Versuch, das Chaos einzudämmen, beteiligen werden. Die schwierigsten Entscheidungen stehen noch bevor.

Die größte Herausforderung für die US-Regierung ist der Iran. Obama will die iranische Führung zu Gesprächen über das Atomprogramm Teherans bewegen. In Ordnung. Aber was passiert, wenn der Iran nein sagt zu den Forderungen der USA, sein Atompläne einzuschränken?

Afghanistan wird jetzt schon "Obamas Vietnam" genannt, und bei diesem Thema gehen die Meinungen in der US-Regierung noch dazu stark auseinander. Was hier bevorsteht, ist ein politischer Streit um die richtige Strategie, und die wirklich schwierigen Entscheidungen sind noch in der Schwebe.

Bisher wirkt die Außenpolitik Obamas wie ein etwas verwirrendes Ad-hoc-System, in dem jeder Krisenherd einen Sondergesandten erhält und Außenministerin Hillary Clinton und Sicherheitsberater Jim Jones mitunter wie rituelle Fußabstreifer behandelt werden. Die Ergebnisse zählen, ist die Antwort des Weißen Hauses auf solche Kritik: "Probieren geht über Studieren." Stimmt, aber wir sind erst bei der Vorspeise.

Übersetzung: Redaktion