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General David Petraeus verlässt seinen Posten als Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan im Juli, obwohl der Ausgang des Kriegs alles andere als sicher ist.
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Vorige Woche, nachdem US-Präsident Barack Obama angekündigt hatte, die US-Truppen früher als vom Militär gewünscht aus Afghanistan abzuziehen, hielt General David Petraeus spätnachts noch von Washington aus eine Videokonferenz mit seiner Führungsmannschaft in Kabul. Er versicherte dabei, dass der Schlachtplan noch immer durchführbar sei, auch mit weniger Soldaten.
Das war ein klassischer Petraeus-Schachzug - eine Demonstration von Optimismus und Entschlossenheit, kombiniert mit Realpolitik. Er war sicher enttäuscht, aber er zeigte es nicht und erklärte seinem Team, dass Obamas Entscheidung von umfassenderen Faktoren bestimmt sei als dem Zeitplan des Militärs.
Petraeus verlässt seinen Posten als Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan im Juli, obwohl der Ausgang des Kriegs alles andere als sicher ist. Hier hat er die entscheidende Wende wie im Irak nicht erreicht, wo er mit einer Truppenaufstockung einen drohenden Bürgerkrieg gerade noch abwenden konnte. Der Kampf in Afghanistan erweist sich als widerspenstiger - wie der jüngste Angriff der Taliban auf das Intercontinental-Hotel in Kabul zeigt.
Petraeus sagt, er habe von Anfang an gewusst, dass in Afghanistan ein schneller Flip unmöglich sei. Er sei aber nach wie vor zuversichtlich, dass seine Strategie funktionieren könne, auch mit weniger US-Truppen. US-Politiker beider Parteien schreiben Afghanistan hingegen schon als aussichtslos ab. Laut Petraeus beginnt die Truppenaufstockung vom Dezember 2009 aber gerade, sich bezahlt zu machen. Den Taliban ist es nicht gelungen, die Kontrolle über ihre Hochburgen in Kandahar und Helmand wiederzugewinnen.
Das Negative ist aber für viele Beobachter auch nicht zu übersehen. Die Regierung von Afghanistans Präsident Hamid Karzai ist nach wie vor äußerst korrupt und die Verwaltung schwankt zwischen unzureichend und nicht vorhanden. Afghanistan ist ein zerschlagenes, nicht funktionierendes Land.
Wie die Arbeit von Petraeus einzuschätzen ist, werden Militärhistoriker erörtern. Er ist der prominenteste General seiner Generation, gefeiert als ein Wunderwirker nach der Rettung Bagdads, wenn ihm auch einige Kollegen immer noch vorwerfen, zu politisch zu sein. Irgendwie hat er es geschafft, der Lieblingskommandant von Obama zu sein und auch der von seinem Vorgänger George W. Bush.
In einem Interview, das ich in Kabul mit ihm führte, zeigte Petraeus, gefragt nach seinen Stärken und Schwächen als Kommandant, eine außergewöhnliche Selbsteinschätzung. Ich stellte Fragen zu seinem Führungsstil, der auch vor dem militärischen Hintergrund noch auffallend intensiv und fokussiert ist.
Ein kleines Beispiel ist die Art, wie er das Hauptquartier der Nato-Koalition in Ordnung brachte, das unter seinen Vorgängern ein baufälliges Chaos war. Was er tat, war einfach, aber wirkungsvoll: Eine halbe Stunde ging er mit dem Basiskommandanten herum und stellte fest, was zu tun ist. Schnell kamen dann Besen und Farbpinsel zum Einsatz.
Man kann es sich kaum vorstellen, dass Petraeus nun nach 37 Jahren Armeedienst die Uniform, schwer von vielen Auszeichnungen, an den Nagel hängt. Leichter wird das dadurch, sagt er, dass er in eine neue Familie eintritt, die CIA. Den 4. Juli wird er auf einem US-Einsatzposten feiern, zum siebenten Mal in den letzten neun Jahren.
Übersetzung: Redaktion
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".
Englische Originalfassung