Zum Hauptinhalt springen

Barack Obamas Vermächtnis

Von David Ignatius

Kommentare

Selbst wenn der US-Präsident die Wiederwahl nicht schaffen sollte, kann er sich den sich anbahnenden Konsens in der Außenpolitik auf die Fahnen heften.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Es gibt Augenblicke, da kann man eine Ahnung bekommen von einem sich anbahnenden überparteilichen außenpolitischen Konsens - das dritte und letzte TV-Duell vor den Präsidentschaftswahlen war einer von ihnen.

Barack Obama und Mitt Romney waren sich dessen bewusst, zu einer kriegsmüden Bevölkerung zu sprechen, und verwendeten fast identische Ausdrücke für die Heimkehr der US-Truppen, das Vermeiden neuer Auseinandersetzungen und eine Terrorabwehr ohne "globalen Krieg". Deutlich wurde, dass wir in einer veränderten Welt leben.

Diese Ablehnung dessen, was noch vor ein paar Jahren als "der lange Krieg" bezeichnet wurde, bekomme ich auch von Vier-Sterne-Generälen und Soldaten im Feld zu hören, und sie wird in Meinungsumfragen immer offensichtlicher.

Auch wenn Obama am 6. November verlieren sollte, könnte dieser sich anbahnende Konsens sein Vermächtnis sein.

Sein Vorgänger George W. Bush sah die USA vor dem Hintergrund der Terroranschläge vom 11. September 2001 und zog das Land in zwei schmerzliche Kriege in der muslimischen Welt. Obama gab dem öffentlichen Wunsch Ausdruck, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Kriegsdekade zu beenden - zumindest offen geführte Kriege, mit Soldaten auf fremdem Boden. Obamas Alternative zur traditionellen militärischen Auseinandersetzung sind Drohnenangriffe. Auch Romney billigt diese Art des gezielten Tötens. Das ist ein anderer Teil des neuen US-Konsenses, einer, der mehr öffentliche Erörterung verdient. Romney unterstützt Obamas Sanktionsstrategie gegenüber dem Iran, militärisches Vorgehen kommt für ihn nur als letzter Ausweg in Frage. Obamas Truppenaufstockung in Afghanistan bezeichnet er als Erfolg und verspricht, dort nicht länger als bis 2014 zu bleiben, auch wenn Afghanistan auseinanderbricht. Eine Militärintervention in Syrien lehnt er ab. "Wir wollen keinen zweiten Irak, wir wollen kein zweites Afghanistan", betont Romney. Er sagt, er wolle der muslimischen Welt durch wirtschaftliche Entwicklung helfen, durch Bildung, Gleichbehandlung der Geschlechter und Rechtsstaatlichkeit.

Michael J. Mazarr, Professor an der National Defense University, zitiert in seinem Artikel in "The Washington Quarterly" eine Erhebung des Pew Research Centers, wonach der Anteil der US-Bürger, die denken, ihr Land solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, von 30 Prozent im Jahr 2002 bis 2009 auf 49 Prozent kletterte. In einer jüngsten Umfrage vom Oktober wollen 63 Prozent der Befragten, dass sich die USA im Nahen Osten weniger engagieren.

Mehr Klartext bei der TV-Diskussion wäre mir lieber gewesen, darüber, wie die USA mit den Umwälzungen in der islamischen Welt umgehen sollen, Syriens Präsidenten Bashar al-Assad absetzen und einen Bürgerkrieg in Afghanistan verhindern - alles ohne den Einsatz von US-Truppen. Das ist die Diskussion, die dieses kriegsmüde Land wirklich braucht. Die USA mögen bei vielen Themen gespalten sein, einig sind sie jedoch darüber, keinen weiteren Krieg zu wollen.

Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "A country united, for a change"