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Barak -Pilot ohne Flugzeug

Von Christian Fürst

Politik

Jerusalem - Angesichts der neuen gefährlichen Krise in seiner Regierungskoalition richtete der israelische Ministerpräsident Ehud Barak einen flammenden Appell an sein Volk. Israel habe in Camp David erstmals die Chance, dass Jerusalem von der Welt als unsere Hauptstadt anerkannt wird, 80 Prozent der Siedler (im Westjordanland) in gesicherten Grenzen unter israelischer Hoheit leben können und der Konflikt beendet wird. Den radikalen jüdischen Siedlern rief er zu: "Seien Sie kein Hindernis für die Einheit der Nation!"


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Barak geht im Wissen nach Camp David, dass seine Koalition vor dem Auseinanderbrechen steht und es schwer wird, die nötige Parlamentsmehrheit für ein Abkommen mit Yasser Arafat zu finden. "Was die Koalition betrifft, geht Barak zum Gipfeltreffen wie ein Pilot ohne Flugzeug", schrieb der Kommentator Chemi Shalev in der Zeitung "Maariv".

Nach der russischen Einwandererpartei "Israel Be'Alya" von Innenminister Nathan Sharansky und der Nationalreligiösen Partei drohte am Wochenende auch der größte Koalitionspartner, die ultraorthodoxe Shas-Partei mit ihrem Rückzug aus dem Kabinett, falls Barak nicht vor seiner Abreise in die USA darlege, wie weit er im äußersten Fall bei den Verhandlungen mit den Palästinensern zu gehen bereit sei. Shas Vorsitzender, Arbeitsminister Eli Yishai lehnte die Einladung Baraks, zu den Verhandlungen mitzufahren ab.

Barak, dessen Popularität in den vergangenen Monaten trotz des erfolgreichen Rückzugs aus dem Libanon gesunken ist, scheint dies nicht zu berühren. "Selbst wenn mir nur neun Minister bleiben und ein Viertel der Knesset hinter mir steht, werden wir es (das Friedensabkommen) machen", kündigte er mutig an. "Die Führung muss entscheiden und vorwärts gehen, um die Realität zu ändern."

Noch lehnt der Ministerpräsident, der in seinem ersten Amtsjahr die "Niederungen" der israelischen Politik vermieden und dem Friedensprozess höchste Priorität gegeben hat, eine "Regierung der nationalen Einheit" mit dem rechtsgerichteten Likud-Block unter dessen ehrgeizigem Vorsitzenden Ariel Sharon ab. Nur sie, so meinen israelische Kommentatoren, könnte angesichts der Sitzverteilung in der Knesset mit 15 Fraktionen jene stabile Mehrheit sichern, die für dringende Reformen erforderlich wäre.

Baraks Zielsetzung angesichts der innenpolitischen Krise ist klar. Mit allen Mitteln will er versuchen, aus Camp David mit einem Abkommen nach Hause zu kommen. "Wenn wir es nicht schaffen, wäre die Nation wenigstens in dem Wissen vereint, dass wir zumindest alles versucht haben", sagte er. "Dies ist eine Aufgabe, die einen Ben Gurion (Israels erster Ministerpräsident David Ben Gurion) erfordert", meinte Kommentator Chemi Shalev zu der gewaltigen Herausforderung der kommenden Wochen. "Nicht einmal Menachem Begin bestand sie. Doch Barak ist überzeugt, dass er aus dem richtigen Holz geschnitzt ist."