Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband ortet einen Datenschutzskandal bei der Urbefragung der Wirtschaftskammer.
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Wien. Die Wirtschaftskammerwahl findet zwar erst im Februar 2015 statt. Der Wahlkampf - oder besser gesagt, die Schlammschlacht - hat aber schon längst begonnen: Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien (SWV) wittert bei der Wirtschaftskammer einen Datenschutzskandal bei der Urbefragung: Auf den Stimmkuverts befindet sich nämlich ein Barcode, der die Mitgliedsnummern enthält.
"Damit handelt es sich um eine namentliche Abstimmung und nicht um eine anonyme Befragung", lautet die Kritik. Die Wirtschaftskammer spricht von Panikmache und versichert, dass alle Fragebögen anonym sind. Der Wirtschaftsbund wirft wiederum dem SWV vor, aktive Wahlvereinbarungen zu brechen. Der Wirbel ist perfekt.
Dass dem SWV die Befragung zur Sonntagsöffnung in Tourismuszonen ein Dorn im Auge ist, ist kein Geheimnis. Für SWV-Direktor Peko Baxant sind die Fragen tendenziell und es würden Mitglieder befragt, die gar nicht vom Thema betroffen sind. Er selbst spricht sogar von einer "Trickbefragung". Dass sich nun auf den Wahlkarten Barcodes befinden, scheint daher für den SWV ein gefundenes Fressen.
Konkret sind die Fragebögen so gestaltet, dass das Kuvert mit einem Klebestreifen verschlossen werden kann. Doch der besagte Barcode befindet sich mit einer Perforation versehen am Rand des Kuverts (siehe Bild). Trennt man den Streifen mit dem Barcode entlang der Perforation vom Kuvert, ist dieses geöffnet. Theoretisch könnte man also tatsächlich zuerst die Identität des Mitglieds feststellen und danach sein Stimmverhalten überprüfen.
"Der Barcode ist mit jeder Handy-Scanner-App lesbar. Die ersten sechs Zahlen, die damit herausgelesen werden können, ergeben die Mitgliedsnummer. Normalerweise verwendet man fortlaufende Zahlen, um sicherzustellen, dass niemand seine Stimme zweimal abgeben kann. Das ist auch das Einzige, was legitim ist", meint der IT-Verantwortliche des SWV, Rodrigo Jorquera, dazu.
Auch beim Innenministerium sei man dieser Meinung, versichert Baxant. Der vorliegende Bogen sei demnach ein "No-Go" und demokratiepolitisch höchst fragwürdig. "Bei der Nationalratswahl würde nicht einmal ein Kuvert mit Klebestreifen akzeptiert werden", betont Baxant, der auch mangelnde Transparenz bei der Auswertung vonseiten der Wirtschaftskammer beklagt. "Der Stimmzettel landet in der Blackbox Wirtschaftskammer und keiner weiß, wie ausgezählt wird und wer das macht", so Baxant.
SWV selbst in Wahlkommission
"Unsinn", heißt es dazu aus der Wirtschaftskammer. Die Auswertung der Mitgliederbefragung erfolge in der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission, die behördlichen Charakter hat. Das habe man bereits alles am 16. Oktober in einer Pressekonferenz und in Aussendungen ausführlich erklärt. "Außerdem sind ja alle Fraktionen in der Hauptwahlkommission vertreten und damit auch der SWV", meint WKW-Sprecher Martin Sattler. Abgesehen davon sei der SWV kein einziges Mal an die Wirtschaftskammer herangetreten, um sich nach dem Auszählungsverfahren zu erkundigen.
Auch den Vorwurf des Datenmissbrauchs weist man bei der WKW auf das Schärfste zurück: Die Fragebögen selbst seien nicht gekennzeichnet, sondern alle gleich und völlig anonym. Der Barcode diene ausschließlich der Verhinderung von Mehrfachabstimmungen. "So wie das übrigens auch bei jeder Briefwahl und Volksabstimmung üblich ist", erklärt Sattler. Der Code werde nach Einlangen bei der WKW abgetrennt und entsorgt. Erst danach würde der angekreuzte Fragebogen aus dem Kuvert genommen und die Stimmen unter Verschluss aufbewahrt. Eine Zuordnung des Abstimmungsverhaltens zu einem bestimmten Unternehmer sei daher gar nicht möglich. Dieses Prozedere sei im Übrigen in Zusammenarbeit mit Juristen sowie einer externen Firma ausgearbeitet worden, die bereits Landtagswahlen und andere Befragungen abgewickelt haben.
"Abgesehen davon geht es uns auch nicht darum, Stimmen zuzuordnen - wozu auch? Wir wollen einfach sicherstellen, dass nicht mit Mehrfachabstimmungen manipuliert werden kann. Das ist alles", so Sattler.
"Niveau auf dem Nullpunkt"
Der Direktor des Wiener Wirtschaftsbundes, Alexander Biach, meinte am Mittwoch , dass das Niveau der sachlichen Argumentation des SWV "erschreckend früh" am Nullpunkt angelangt sei. Er hält die Methoden des SWV generell für bedenklich, habe dieser doch bereits mit der Aufforderung, die Wahlkartenanträge an den SWV zu schicken, anstatt sie an die WKW zur retournieren, eine Wahlvereinbarung gebrochen, die alle Fraktionen geschlossen hätten.
Die Ergebnisse der Urbefragung sollen im Übrigen am 9. Dezember vorliegen. 100.000 Unternehmer sollen u.a. mitentscheiden, ob die Wirtschaftskammer für eine Tourismuszone mit Sonntagsöffnung eintreten soll.
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