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Barguti fordert Intifada-Kabinett unter Einbindung der Hamas

Von Eva Zitterbart

Politik

Marwan Barguti, Führer der palästinensischen Tansim-Milizen im Westjordanland, versuchte, sich in einem Pressegespräch gestern in Ramallah als Alternativfigur zu Yasser Arafat zu profilieren. Freilich soll Arafat als Symbol der palästinensischen Nationalbewegung erhalten bleiben.


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Eine feine rhetorische Klinge zu führen, ist Marwan Bargutis Sache ebensowenig wie auf Fragen klare Antworten zu geben. Der kleine, rundliche Mann, der stets zu einem scherzhaften Wort aufgelegt scheint, ist die personifizierte Wut des palästinensischen Volkes gegen seine Besatzer. In den eineinhalb Stunden des Treffens mit Vertretern der internationalen Presse betonte Barguti unzählige Male, dass so wie er "jeder Palästinenser" denke.

Auf einen der engsten Mitarbeiter Bargutis, Abu Halaweh, wurde vor zwei Tagen durch israelische Sondereinheiten in Ramallah ein Attentat ausgeführt, das ihn leicht verletzte. Barguti interpretiert das entgegen offiziellen israelischen Aussagen als einen auf ihn abgezielten Mordanschlag. "Sie versuchten, mich zu töten", erklärte er gestern mit Bestimmtheit. Jedenfalls würden alle israelischen Angriffe, Mordanschläge usw. nicht zum von Israel gewünschten Ziel führen, nämlich die Intifada - den seit zehn Monaten anhaltenden Aufstand der Palästinenser - zu beenden.

Es gebe nur eine einzige Möglichkeit dazu, sagte Barguti immer und immer wieder: den vollständigen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten des Westjordanlandes, des Gazastreifens und aus Ostjerusalem.

Barguti beschuldigt Israel, bereits einen umfassenden Krieg gegen das palästinensische Volk gestartet zu haben. Ziele seien nicht nur palästinensische Politiker und die Führer der Intifada. Mit Bombeneinsatz, Absperrungen von Städten und Dörfern, Inhaftierungen würde das ganze palästinensische Volk zur Zielscheibe. Für die nächsten Tage und Wochen erwartet Barguti eine weitere Intensivierung der - wie er es nennt - israelischen Aggression. Barguti lehnte jegliche amerikanische Intervention ab, da die USA gemeinsame Sache mit den Israelis machten. Stattdessen ruft er nach einer Schutztruppe der internationalen Staatengemeinschaft für die Palästinenser unter Einschaltung vor allem Rußlands. Weiters meinte Barguti, dass die palästinensische Regierung abgelöst oder erneuert werden sollte.

Die neue Führung sollte der inneren Einheit des palästinensischen Volkes entsprechen, also alle politischen Gruppen wie Hamas und den islamischen Jihad einbeziehen. Als einen Angriff auf Yasser Arafat direkt will er das nicht interpretiert wissen. Arafat sei ein Symbol. Die Palästinenser aber brauchten nun eine Regierung für einen Krieg, keine 32 Minister. Von Arafats Appell, der in regionalen und internationalen Medien publiziert worden ist, die Intifada auf militärische Ziele und nur solche in den besetzten Gebieten zu beschränken und nicht auf Gebiete innerhalb Israels Grenzen vor 1967 auszudehnen, gibt Barguti vor, nichts gehört oder gelesen zu haben.

Befragt, was er vom Anschlag eines Ostjerusalemer Palästinensers auf Menschen vor dem Eingang zum israelischen Verteidigungsministerium am Sonntagnachmittag in Tel Aviv halte, sagte Barguti, dass es sich einerseits bei den Zielen um Soldaten gehandelt habe, und dass andererseits von den Palästinensern in ihrer Lage nichts anderes zu erwarten sei. Die israelische Siedlungspolitik sei Terror. Israel solle aus solchen Anschlägen seine Lehren ziehen.

Er selbst glaube an einen Frieden zwischen zwei selbständigen Staaten. Die Palästinenser hätten Israel anerkannt, das sei keine Frage. Die Ausrufung des Staates selbst aber sieht Barguti als nachrangig an. Zuerst müsse die Intifada als nationaler Befreiungskampf, in dem alle Mittel erlaubt seien, zu ihrem Ziel führen: Rückzug der Israelis aus allen besetzten Gebieten.