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Barrierefrei in die Arbeitswelt

Von Barbara Ottawa

Politik

Im heurigen "Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung" ist immer wieder von Integration die Rede. Integration endet jedoch dort, wo Barrieren anfangen und so scheitern die Ausbildungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung oft an einfachen physischen oder technischen Barrieren - in vielen Fällen jedoch auch an Vorurteilen - und erst langsam wächst das Bildungsangebot. Vergessen werden dabei oft Jugendliche mit sogenanntem "sonderpädagogischen Förderbedarf", die meist als "Sonderschüler" abgestempelt sind und etliche Barrieren in der Arbeitswelt zu überwinden haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bei der dritten Berufs- und Studieninformationsmesse (BeSt) in der Wiener Stadthalle wird heuer ein Schwerpunkt auf barrierefreie Ausbildung für Menschen mit Behinderung gelegt. Vorgestellt werden etwa EDV-Ausbildungen für Blinde, eine Elektronik-Lehre für Hörbehinderte oder ein integrativer Journalismuslehrgang (siehe Kasten unten).

Laut dem Projekt "k21" - das sich ebenfalls im Rahmen der BeSt präsentieren wird - haben Menschen mit Behinderung einen Mangel an Bildung - zumeist weil adäquate Ausbildungsmöglichkeiten fehlen. Wie etwa auch das Projekt "Support", hilft "k21" Menschen mit Behinderung, den Einstieg in die Arbeitswelt zu finden. (Über beide hat die "Wiener Zeitung" berichtet.)

Viele Bildungsmöglichkeiten bleiben Menschen mit Behinderung durch gewisse Barrieren verschlossen. Sei es das Fehlen eines Aufzugs für Menschen mit einer körperlichen Behinderung, technischer Hilfsmittel für Menschen mit Seh- oder Hörschwächen oder von Ausbildungen mit spezieller Betreuung für Menschen mit geistiger Behinderung.

In den letzten Jahren wurden jedoch immer mehr solcher Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Eines von vielen Beispielen ist der Integrative Journalismus Lehrgang - eine Absolventin wird auf der BeSt die Interviews zum Thema "Karriere trotz Barriere" leiten. Er zielt sowohl auf eine fundierte integrative Ausbildung als auch auf die Schaffung neuer medialer Bilder von Menschen mit Behinderung ab. Träger des Projektes ist der Verein Integration:Österreich.

Auf der BeSt wird auch die EDV-Ausbildung am Berufsbildungs- und Forschungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BBFZ) in Wien vorgestellt. Dort können Blinde und sehbehinderte Menschen seit einem Jahr den Computerführerschein (ECDL) machen oder sich etwa zum EDV-Programmierer ausbilden lassen.

Sozialpädagogische Zentren beseitigen Barrieren

Weniger offensichtlich sind die Probleme sogenannter Jugendlicher "mit sonderpädagogischem Förderbedarf".

Das Sozialpädagogische Zentrum (SPZ) 2 im 2. Wiener Gemeindebezirk besuchen derzeit 125 solcher Schüler und Schülerinnen. "Wir unterrichten Jugendliche mit erhöhtem Betreuungsbedarf", erläutert Direktorin Regine Gratzl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dabei kann es sich sowohl um Jugendliche mit Down-Syndrom also auch um solche mit einer Lernschwäche handeln. Auch ein Jugendlicher, der erhebliche Mängel in einer Kulturtechnik, wie zum Beispiel Rechnen, aufweist falle nach dem Gesetz unter die Kategorie "schwerbehindert".

Neben den drei Allgemeinen Sonderschulklassen (6. bis 8. Schulstufe) - inklusive der Möglichkeit eines Hauptschulabschlusses - und zwei Klassen "Berufsvorbereitungsjahr" (9. Schulstufe) bietet das SPZ2 für Jugendliche mit absolvierter Schulpflicht die Möglichkeit, freiwillig eine individu- elle Berufsorientierung zu absolvieren.

"JobFit" (http://www.jobfit.offlimit.at ) nennt das SPZ2 dieses Programm. Es soll den Jugendlichen den Einstieg in die Berufswelt erleichtern. "Vor allem mangelt es ihnen an Selbstvertrauen", betont Wilfried Swoboda, Lehrer am SPZ2 im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In 29 Wochenstunden werden den Jugendlichen neben sogenannten Sockelstunden, in denen Deutsch, Mathematik und Englisch unterrichtet werden, vor allem Projekte in Seminarform, aus denen die Teilnehmer auswählen können, angeboten.

"Die Jugendlichen sind alle freiwillig hier, sie müssen die Kurse nicht machen. Aber sie wollen etwas dazulernen und diese Möglichkeit wollen wir ihnen bieten", erläutert Gratzl das Konzept. Die Teilnehmer sollen in individueller Betreuung "soft skills" wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Kommunikation und vor allem Frustrationstoleranz lernen. "Unsere Kinder müssen mindestens doppelt so viele Bewerbungen wie sogenannte ,normale' Jugendliche verschicken, bis sie einen Job finden", gibt Swoboda zu bedenken. Dabei werden die Möglichkeiten und Grenzen der Jugendlichen sehr genau beachtet.

Die Ausbildung erfolgt vor allem praxisorientiert. Kooperationen mit Betrieben und Unternehmen ermöglichen es den Schülern und Schülerinnen, in die Arbeitswelt hinein zu schnuppern. Eine Besonderheit ist die Teilnahme des SPZ2 am "JUNIOR"-Projekt der Österreichischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft (VWG). Bei diesem Projekt gründen Schüler und Schülerinnen Firmen, in denen sie praxisnah die Regeln der Wirtschaft kennenlernen können.

"Unsere erfolgreichste Firma ist ,KrazzKazz'", erzählt Swoboda. "Wir stellen selbstentwickelte Katzenkratzbäume her und verkaufen sie mit großem Erfolg", erläutert Bernhard Seckl, ebenfalls Lehrer am SPZ2 und Betreuer der Firma. Andere Projekte sind eine Weihnachtskartenfirma und ein Cateringservice.

"Der Lehrgang wird in der 10. Schulstufe von der Direktion bewilligt, die anderen beiden Jahre muss der Stadtschulrat bewilligen", erläutert Direktorin Gratzl. Anmeldungen gibt es mehr als genug - auch für das nächste Jahr.

Ähnliche Schulversuche zur weiterführenden Berufsvorbereitung werden am SPZ im 16. Bezirk und am SPZ im 20. Bezirk angeboten. Eine Übersicht über Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Wien bietet die Homepage des Stadtschulrates: http://www.magwien.gv.at/ssr/allgemeines/asoint.htm .

Die Evaluierung der Projekte erfolgt EU-weit unter dem Programm Comenius, in dem auch ein reger Austausch zwischen den Schulen stattfindet. "Finnland hat zum Beispiel die Idee der Integrationsklassen übernommen", berichtet Gratzl. Vom SPZ2 werden auch 29 Integrationsklassen - Volksschulen und Hauptschulen - betreut. Das heißt, dass Lehrer und Lehrerinnen des SPZ2 an diesen Schulen den regulären Lehrkräften im integrativen Unterricht zur Seite stehen.

Behindertenorganisationen kämpfen mit Barrieren

Seit Jahren bemühen sich diverse Behindertenorganisationen in Österreich um ein Behindertengleichstellungsgesetz, das die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen garantieren soll. In der letzten Sitzung des Nationalrates haben sich alle Parteien für ein solches Gesetz ausgesprochen. Ein Entwurf wird erarbeitet.

Informationen über Ausbildung und Berufschancen für Menschen mit Behinderung erhalten Sie bei diversen Behindertenverbänden. So etwa bei der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), einem Dachverband einiger Behindertenorganisationen (http://www.oear.or.at ).

Umfangreiche Informationen bietet auch die Homepage http://www.help.gv.at . Das Bildungsministerium hat anlässlich des Jahres der Menschen mit Behinderung ebenfalls einen Schwerpunkt gesetzt: http://www.bmbwk.gv.at