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Barrierefrei reisen - eine Hürde

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Mit dem Rollstuhl ans Meer: Schwierig zu organisieren ist bei Reisen vor allem der Transport.
© © Marco Gerber - Fotolia

Aufgrund von schlechten Erfahrungen verzichten viele Behinderte aufs Reisen.


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Wien. Fast jeder braucht im Laufe seines Lebens barrierefreie Angebote - ob im höheren Alter, mit Kinderwagen oder aufgrund einer Behinderung. Eine passende Reise zu finden, ist aber schwierig. "Nur ein barrierefreies Hotel alleine reicht nicht. Auch die Sehenswürdigkeiten müssen gut erreichbar sein", sagt Anja M. Lenz, die sich mit ihrem Unternehmen "Grenzenlos Barrierefrei Reisen" auf individuellen Urlaub für Rollstuhlfahrer, Gehörlose und Blinde spezialisiert hat. Daher erkundet Lenz vor Ort, ob beispielsweise der Weg vom Hotel zur nächsten U-Bahn-Station mit dem Rollstuhl zu bewältigen ist. Und stellt barrierefreie Einkehrmöglichkeiten für Rad- oder Handbike-Touren durch die Steiermark zusammen.

"Bei Barrierefreiheit ist Österreich Entwicklungsland"

Wichtig sei, früh zu buchen, weil die meisten Hotels - wenn überhaupt - nur ein bis zwei Zimmer für Rollstuhlfahrer umgebaut haben und der Transport etwa mit Minivan und Rampe individuell organisiert werden muss. "Österreich ist in Sachen Barrierefreiheit immer noch Entwicklungsland", sagt Georg W. Freund, der sich mit seinem Reisebüro "AGR - Aktion Gemeinsam Reisen" auf diese Nische spezialisiert hat. "Leider gibt es viel zu wenig Nachfrage. Es ist bei vielen Behinderten im Kopf, dass Urlaub teuer und für sie nicht machbar ist", sagt Freund. Sein Reisebüro habe bisher aber noch niemanden wegen der Schwere seiner Behinderung abgewiesen.

Viele Behinderte hätten schlechte Erfahrungen in ihren Urlauben gemacht, erzählt auch Lenz. Von großen Reiseveranstaltern werde zwar die Barrierefreiheit zugesagt, sei aber oft nicht kontrolliert - somit könne ein Urlaub unbequem werden und Behinderte verzichten aufs Reisen.

Der Reiseveranstalter TUI hat 300 behindertenfreundliche Hotels in 32 Urlaubsländern im Angebot, versteht sich aber nicht als Veranstalter von Reisen für Menschen mit Behinderung. "Wir können diesen Ansprüchen aufgrund unserer Struktur und Organisation nicht gerecht werden. Ziel ist jedoch die Integration von Menschen mit Behinderung in den Pauschaltourismus", sagt TUI-Konzernsprecher Josef Peterleithner. Ruefa bietet in Kooperation mit dem Roten Kreuz "Betreutes Reisen" in Gruppen an.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 10 bis 15 Prozent der Weltbevölkerung auf barrierefreie Angebote angewiesen. Aufgrund der demografischen Entwicklung - immer mehr ältere Menschen - glauben Tourismusexperten, dass die Zugänglichkeit immer wichtiger wird. "Man darf barrierefrei nicht mit behindert gleichsetzen. Barrierefreie Angebote sind eine Komfortsteigerung für alle", sagte Max Stich, Vize-Tourismuspräsident beim deutschen ADAC, bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Barrierefreiheit.

Kaum Werbung für behindertengerechte Reisen

Dennoch: Mit Barrierefreiheit werben bisher kaum Hotels und Regionen - von Touristikern wird eingewendet, eine Positionierung als behindertengerechte Herberge würde andere Urlauber vom Buchen abhalten. Eine Ausrede, sagt Lenz. Als Paradehotel für Barrierefreiheit gilt das Hotel Weisseespitze im Tiroler Kaunertal, in dem 30 Zimmer rollstuhlgerecht umgebaut wurden: Zum Balkon gibt es keine Stufen, und auch die "Rolli-Bar" und Wellnesseinrichtungen sind barrierefrei. Das Hotel im Tiroler Kaunertal sieht Sportler, Motorradfahrer und Rollstuhlfahrer als Zielgruppe.

Bundesländer wie die Steiermark und Oberösterreich haben eigene Internet-Informationsplattformen für barrierefreie Reisen, in der steirischen Ramsau gibt es einen Wanderweg für Familien mit Kinderwagen. In Deutschland haben sich Regionen wie Erfurt und Eiffel zu einer Arbeitsgemeinschaft "Barrierefreie Reiseziele in Deutschland" zusammengeschlossen.

Dennoch müssen Reisende die Beschreibung genau lesen, ob ein Hotel oder ein Ausflugsziel behindertengerecht ist - ein Gütesiegel für Barrierefreiheit existiert in Österreich nicht.