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"Barrieren tun sich auf, wo die alte Uni Morgenluft wittert"

Von Kurt Grünewald

Wissen

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Einiges hat sich in den letzten drei Jahrzehnten bewegt. Die Studentenzahlen haben sich vervierfacht und das wissenschaftliche Personal fast verdoppelt. Das ist erfreulich, zeigt aber dennoch, dass trotz bis vor kurzem steigender, nun aber de facto stagnierender budgetärer Investitionen die Betreuungsverhältnisse an den Universitäten eine negative Entwicklung nahmen.

Durch die steigende internationale Vernetzung, die nachwuchsfreundliche Politik des österreichischen Forschungsfonds (FWF) und aufgrund selbst auferlegter Qualitätskriterien in Habilitationsverfahren und dienstrechtlichen Belangen haben sich auch Qualität und Quantität internationaler Publikationen aus Österreichs Universitäten positiv entwickelt. Die oberflächliche und polemisch unfaire Mähr über unsere "Letztrangigkeit" im internationalen Ranking läßt sich recht einfach korrigieren, wenn man bei der Bewertung des sogenannten wissenschaftlichen "Outputs" die Einwohnerzahl, die Zahl von Forschern pro 100.000 Erwerbstätige und die finanziellen Ressourcen pro ForscherIn miteinbezieht (cf. "Österreichs Wissenschaft auf der Überholspur", FWF Info 34/1999).

Die Reformen der letzen Jahre, so kontrovers und heftig sie auch diskutiert wurden, waren nicht allesamt schlecht. Die Eigenverantwortlichkeit der Universitäten wurde im Universitätsorganisationsgesetz 93 und in einem innovativen Studiengesetz erweitert und ein etwas flexibleres Dienstrecht mit zusätzlichen Schienen zeitlich befristeter Dienstverträge geschaffen. Vorsichtig, etwas schüchtern und gegen den Widerstand häufig sehr skurril argumentierender konservativer Kreise wurde am Abbau starrer und kontraproduktiv demotivierender Hierarchien gefeilt.

Einiges davon wurde, allerdings mit zeitgeistigen Verbeugungen, konterkariert. Dem Ruf nach starken Männern (trotz aller Bemühungen spielen Frauen immer noch nicht die ihnen zustehende Rolle) wurde unter der Devise "schlanke Entscheidungsstrukturen" stattgegeben und demokratische Elemente vorwiegend dorthin zurückverwiesen, wo gedacht und philosophiert werden kann (strategische Planung).

Die Vernetzung dieser Bereiche bereitet Schwierigkeiten, neues Misstrauen, Frust und Ohnmacht gedeihen und neue Barrieren zwischen den Kurien tun sich auf, wo die alte Ordinarienuniversität Morgenluft wittert. Das schadet und lähmt. Viele fühlen sich ausgeschlossen, wenige informiert.

All das stärkt weder den notwendigen Teamgeist, weder Motivation noch innere Geschlossenheit. Gerade in dieser Situation bläst nun der Universität der rauhe Wind öffentlicher Meinung ins Gesicht und auch der Wind, der aus Richtung Politik und Ministerium weht, ist kühl. Reformen am laufenden Band verunsichern und lähmen die tägliche Arbeit.

Die Reaktionen darauf sind krisenhaft. Aber sich einzuigeln, Polemik, Leugnen oder Beschönigen sind keine wirksame Bewältigungsstrategie, viel weniger noch Rückzug und Resignation.

Das Gefährlichste dabei ist das schwindende Vertrauen in Regierung und Politik. Wenn sich Ministerium und Universitäten nicht mehr als Verbündete wahrnehmen, liegt einiges im Argen und schnelles Handeln ist angesagt.

In einer immer schnelllebigeren Zeit, in einer zunehmenden Ellenbogengesellschaft, in Zeiten rasch wechselnder Moden und wenig reflektierter, vordergründiger und bloß pekuniärer Nützlichkeiten, sollte nach Auffassung der Grünen doch ein Ort existieren, das alles zu hinterfragen. Die Ethik der Wissenschaften und die gesellschaftskritische Reflexion über das, was sich so trendy "Fortschritt" nennt, ist kein esoterischer Luxus, sondern die notwendige Frage nach dem Wohin der Reise und nach dem wahren Nutzen für die Gesellschaft. Ein Ort des kritisch konstruktiven Nachdenkens sollte auch die Universität sein.

Nichts spricht dagegen, gleichzeitig den Praxisbezug in der Ausbildung und die wirtschaftsnahe Forschung zu stärken. Worum es sich dreht, ist die Balance. Eine im positiven Sinne stärker politische Universität ist eine anwendungsorientierte, wenn man darunter nicht lediglich die rasche Produktion von dumpfen akademischen Dienstnehmern versteht. Staatliche Verantwortung darf nicht dem freien Spiel des Markts geopfert werden.

Grüne Politik wünscht sich daher multifunktionelle, pluralistische, offene und kritische Universitäten. Sie plädiert für ein Höchstmaß an Chancengleichheit und daher für den kostenlosen Zugang, für eine stärkere Orientierung an den Teamgedanken zu Ungunsten überholter kreativitätshemmender Hierarchien. Ein besonderes Anliegen muss die Nachwuchsförderung sein. Diesem sind durch steigende Budgets für Forschung und Entwicklung, mobilitätsfördernde Maßnahmen, Leitungsfunktionen auf Zeit und Initiativen zur Vermehrung forschungsorientierter Arbeitsplätze in der Wirtschaft neue Perspektiven anzubieten.

Diese Entwicklungen sind für uns Grüne im demokratischen Dialog aller Betroffenen zu entwickeln. Einseitig diktierte Verordnungen bringen nur scheinbaren Erfolg und werden daher von uns nicht unterstützt werden.

ao. Univ. Prof. Dr. Kurt Grünewald ist Vorsitzender der Bundeskonferenz des künstlerischen und wissenschaftlichen Personals (Assistenten und Dozenten) an Österreichs Universitäten und Kandidat der Grünen bei der Nationalratswahl.