Ein guter Start wurde ihm bescheinigt, seine erste Kommission stieß allerdings auf Unwillen: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso muss in den kommenden Monaten seine Führungsstärke weiterhin unter Beweis stellen.
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Wenn Kommissionspräsident Barroso heute im Europäischen Parlament seine Vorstellungen zur Lissabon-Strategie präsentiert, spricht er eine der größten Herausforderungen für die Union an. Denn von dem in Portugal festgelegten Ziel, bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, ist die EU weit entfernt. Diesen Prozess zu beschleunigen, hat sich aber Barroso von Anfang an zu seiner Hauptaufgabe gemacht.
Vielleicht wird er dabei die Vorschläge von Industriekommissar Günter Verheugen berücksichtigen, den Regierungen mehr Verantwortung für die Umsetzung der Agenda zu übertragen und die Lissabon-Strategie abzuspecken. Doch an dem Ziel ändert das nichts: Das Wirtschaftswachstum soll beschleunigt, Arbeitsplätze müssen geschaffen werden.
Die Koordinierung der Wettbewerbspolitik hat sich Barroso bereits bei der Ressortzuteilung gesichert, ebenso behält er die Oberhand über die Außenpolitik. Nicht zuletzt deswegen konnte er der Skepsis gegenüber seiner Führungsstärke entgegentreten. Denn als Kommissionspräsident war der ehemalige portugiesische Ministerpräsident keineswegs erste Wahl. Erst bei einem Sondergipfel im Juni des Vorjahres einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf den Kandidaten, nachdem etwa Chris Patten und Guy Verhofstadt nicht von allen Staaten akzeptiert wurden.
Dennoch erfüllte der designierte Präsident bei der Bildung seiner Kommission nicht alle Wünsche der nationalen Regierungen. So folgte er etwa dem Ruf Deutschlands nicht, den Posten eines "Superkommissars" für Wirtschaft und Industrie zu schaffen. Doch kaum nominiert, stießen einige Mitglieder der Kommission auf Widerspruch im Europäischen Parlament. Um eine drohende Abstimmungsniederlage zu vermeiden, zog Barroso im Oktober seinen Vorschlag zurück. Zwei Mitglieder tauschte er aus; mit drei Wochen Verzögerung nahm die neue Kommission Ende November ihre Arbeit auf.
Als Mann der Kompromisse wird der Kommissionspräsident oft bezeichnet, sein politischen Gesinnungswandel noch immer kommentiert. Immerhin führte den 1956 in Lissabon Geborenen sein Weg vom Parteiredner einer maoistischen Studentengruppe an die Spitze einer konservativen Mitte-Rechts-Regierung.
Noch in den 70er-Jahren trat der Jurist und Politologe der Sozialdemokratischen Partei bei, mit 29 Jahren wurde er Staatssekretär im Innenministerium, mit 36 war er Außenminister. Das Amt des portugiesischen Ministerpräsidenten übernahm er 2002. Barroso, der auch Englisch, Französisch und Spanisch spricht, ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter zwischen 16 und 21 Jahren.