Zugeständnisse an Sozialisten, Liberale. | Letzte grün-rote Aufschubaktion ist gescheitert. | Die Gegenfront ist zerbröselt. | Straßburg. Immerhin zwei Monate konnten kritische Kräfte im EU-Parlament die Bestätigung von Jose Manuel Barroso für weitere fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission aufhalten. Doch heute, Mittwoch, ist er am Ziel angekommen.
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Quer durch die Fraktionen wird eine klare Mehrheit für eine weitere Amtszeit des Portugiesen erwartet. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten ihn bereits vor der Sommerpause einstimmig nominiert. Barrosos Bestellung für die nächsten fünf Jahre ist damit endgültig besiegelt, nachdem zuvor eine Allianz aus Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken gegen ihn zerbröselt ist.
Das letzte Störmanöver der weiterhin hartnäckig gegen ihn Sturm laufenden Grünen wurde bereits am Montagabend von einer deutlichen Mehrheit der Parlamentarier abgeschmettert: Eine Abfuhr von 248 zu 135 Stimmen gab es für den Antrag, die Tagesordnung zur Wahl des Kommissionspräsidenten am Mittwoch noch einmal zu kippen, die letzten Donnerstag vom Parlamentspräsidenten und der Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden fixiert worden war.
Um Klarheit über die Rechtsgrundlage der neuen EU-Kommission zu haben, müsse auf das irische Referendum über den Lissabonner Reformvertrag Anfang Oktober gewartet werden, hatte der Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit vergeblich argumentiert. Dabei hatte er sogar noch zahlreiche Sozialdemokraten hinter ihrem Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz im Rücken, die sich als Fraktion nicht mehr wie früher SPE abkürzen, sondern S&D (für "Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten") abkürzen. Diese hatten sich in der Vorwoche eigentlich bereits mit der Abstimmung abgefunden.
Klare Mehrheit?
Auch für seine Bestätigung als Kommissionspräsident braucht Barroso nach dem derzeit gültigen Vertrag von Nizza lediglich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, selbst die absolute Mehrheit von 369 der 736 Abgeordneten wurde ihm im Vorfeld zugetraut. Auch jegliche von Grünen und Sozialisten ventilierte Legitimationsfrage wäre damit obsolet - selbst nach dem neuen Vertrag von Lissabon würde das Votum dann reichen.
Offenbar steht mit der Europäischen Volkspartei (EVP) die größte Fraktion im EU-Parlament geschlossen hinter ihrem Kandidaten. Sie hat alleine 265 Stimmen. Dazu wird fix die breite Unterstützung der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) erwartet, deren 54 Sitze im Wesentlichen von den britischen Tories, der polnischen Partei für Recht und Gerechtigkeit des Präsidenten-Zwillings Jaroslaw Kaczynski und der tschechischen ODS besetzt werden. Ebenfalls positiv gaben sich nach einer Kehrtwende zuletzt die Liberalen, die über 84 Stimmen verfügen.
Sozialisten uneins
Selbst in der offenbar nicht ganz einigen S&D-Fraktion gibt es Unterstützer für Barroso. Zumindest seine sieben Landsleute, wahrscheinlich aber auch einige Spanier und Briten dürften sich für ihn entscheiden.
Generell dürfte die Fraktionslinie jene der Enthaltung sein, wie S&D-Vizepräsident Hannes Swoboda bereits vorab erklärt hatte. Das spielt Barroso in die Hände, weil Stimmenthaltungen lediglich die Gesamtzahl der gezählten Voten reduziert. SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried bezeichnete diese Variante als die "derzeit beste Vorgangsweise". Druck müsse jetzt für die richtige Zusammen- und Schwerpunktsetzung der künftigen EU-Kommission gesetzt werden.
Die Wende der Liberalen und das Einlenken der Sozialdemokraten konnte Barroso letzte Woche in ausführlichen Anhörungen vor den Fraktionen erreichen. Sogar Liberalen-Chef Guy Verhofstadt, den der Portugiese vor fünf Jahren im letzten Moment vom Chefsessel der EU-Kommission verdrängt hatte, sprach sich danach für ihn aus.
Barroso machte dafür einige Zugeständnisse: So werde der Justizkommissar künftig ausdrücklich auch für die Wahrung der Grundrechte und den Diskriminierungsschutz zuständig sein, so Barroso. Weiterreichende Vorschläge als bisher kündigte er auch in Richtung einer einheitlichen Finanzmarktaufsicht und eigenen Einnahmequellen der Union für das künftige EU-Budget an.
Entgegenkommen
Etwas tiefer in die Trickkiste griff der Kommissionspräsident bei den Sozialdemokraten: So soll ein neuer EU-Rechtsakt, bei dem das Parlament Mitbestimmungsrecht hat, die Auswirkungen der EU-Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern in andere Mitgliedsstaaten klarstellen. Ziel sei, dass "für die gleiche Arbeit am gleichen Ort auch der gleiche Lohn gezahlt" werde, erklärte Leichtfried.
Zudem kündigte Barroso für künftige EU-Gesetze eine umfassende Abschätzung der sozialen Folgen im Voraus an. Der erste Testfall dafür werde ein neuer Anlauf für eine EU-weit einheitliche Höchstarbeitszeit, der noch vor dem nächsten Sommer genommen werden sollen. Neben einer "Charta für Frauenrechte" soll zu guter Letzt auch ein "Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" erarbeitet werden. Diese sind bei uns als Daseinsvorsorge bekannt - die Kommission hatte bisher nicht vor, das Thema wieder aufzugreifen.
Doch bei allen Zugeständnissen ließ es sich S&D-Chef Schulz nicht nehmen, Barroso erneut zu attackieren. Vor allem kritisierte er, dass dieser geschlossen von der ECR unterstützt werde, deren Parteien allesamt mehr oder weniger gegen den Lissabonner Reformvertrag sind: "Mit solchen Leuten wollen Sie eine Mehrheit erreichen", rief er empört. Probleme sollen die Sozialdemokraten aber auch mit manchen Personalwünschen an Barroso gehabt haben.