Frankreich will die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie zu Fall bringen. Es gehört mit Deutschland zu den vehementesten Gegnern des vorliegenden Entwurfs der EU-Kommission, die sich zu Änderungen bereit erklärt hat, aber grundsätzlich an der Vorlage festhalten möchte.
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Frankreich sei "absolut entschlossen" die Richtlinie in ihrer derzeitigen Form zu stoppen, erklärte gestern ein Regierungssprecher. Nur zwei Tage zuvor hatte Präsident Jacques Chirac den Entwurf als "inakzeptabel" bezeichnet und die Kommission aufgefordert einen Kompromissvorschlag zu unterbreiten. Auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder tendiert deutlich zu einem neuen Entwurf, da die Richtlinie in der vom früheren Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein konzipierten Form "auf gar keinen Fall Geltung bekommen" könne.
Vor allem das so genannte Herkunftslandprinzip gilt als Zankapfel der geplanten Direktive. Es ermöglicht Unternehmen von EU-Ländern, ihre Dienste unter Vorgaben ihres Heimatlandes in anderen EU-Staaten anzubieten. Berlin und Paris befürchten, dass es dadurch zu Lohn- und Sozialdumping und zur Aufweichung von Sicherheits- und Umweltstandards kommt. In Frankreich bestimmt der Streit um die Richtlinie zusätzlich die Kampagne zur Volksabstimmung über die EU-Verfassung am 29. Mai.
Industriekommissar Günther Verheugen mahnte angesichts der zuletzt höchst emotional geführten Diskussion eine Versachlichung der Debatte ein. Bei missverständlichen Passagen des vorliegenden Textes sei die Kommission bereit, Verbesserungen vorzunehmen, bestätigte gestern Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Das betreffe insbesondere die Frage von Löhnen, Sozialstandards und Qualitätsanforderungen.
Auf das Herkunftslandprinzip werde jedoch keinesfalls verzichtet, stellte Verheugen klar. Es sei "das leitende Prinzip des gesamten Binnenmarktes". Allerdings sei es wichtig zu wissen, was davon abgedeckt wird. "Nationale Standards bleiben erhalten, Aufträge von Privaten und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind von dem Herkunftslandprinzip nicht betroffen", erläuterte Verheugen.
Die Gewerkschaften werden ihrem Unmut über die befürchteten Lohn- und Sozialnachteile ungeachtet der Beteuerungen aus der Kommission morgen bei einer Großdemonstration in Brüssel Luft machen. 50.000 Menschen wollen daran teilnehmen.