Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein plant eine Karenz für ArbeitnehmerInnen, die sterbende Angehörige pflegen. In Frankreich gibt es bereits einen Rechtsanspruch darauf. In Österreich ist ein "bedingter Rechtsanspruch mit Durchsetzungsmöglichkeit" geplant, erfuhr die "Wiener Zeitung" aus dem Wirtschaftsministerium. Damit kommt die Regierung dem Nationalrat zuvor, der für die erste Juliwoche einen entsprechenden Entschließungsantrag geplant hat.
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"So wie Eltern heute das Recht haben, ihre Kinder am Anfang des Lebens in das Leben hineinzubegleiten, sollen Kinder künftig das Recht haben, ihre Eltern aus dem Leben hinauszubegleiten", fordert Michael Landau, Direktor der Caritas Wien, schon seit geraumer Zeit. Bartenstein lässt dieses Ziel nun näher rücken: Eine Arbeitsgruppe in seinem Ministerium mit Vertretern der Caritas, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat bereits eine Punktation ausgearbeitet. In etwa zwei Wochen soll ein fertiges Modell für diese Sterbebegleitungs-Karenz vorliegen.
Geplant ist ein "bedingter Rechtsanspruch mit Durchsetzungsmöglichkeit". Das bedeutet, dass Angehörige mit Vorlage eines ärztlichen Attestes bei ihrem Arbeitgeber vorsprechen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird über den Karenzanspruch "eine Art Tribunal" entscheiden. "Wir planen ein sehr rasches Verfahren", heißt es aus dem Ministerium. Gedacht ist außerdem an Teilzeitmodelle oder Arbeitszeitverschiebungen. Im Ministerium ist man bemüht, auf die Interessen der Wirtschaft Rücksicht zu nehmen.
Über die zeitliche Befristung dieser Sterbebegleitungs-Karenz gibt es noch keine endgültige Einigung, überlegt wird, diese auf ein halbes Jahr einzuschränken. Das berühre natürlich ethische Fragen, denn wie solle man im Vorhinein die Lebensdauer eines Sterbenden beurteilen. Andererseits müsse ein gewisser Zeitrahmen vorgegeben werden, heißt es aus dem Büro Bartenstein.
Das Karenzmodell wird auf jeden Fall "sterbefallbezogen" sein und kann daher mehrmals in Anspruch genommen werden.
Falls nach der Vorlage des Sterbebegleitungskarenzmodells in etwa zwei Wochen politische Einigung hergestellt werden kann - und davon geht man im Wirtschaftsministerium aus - könnte ein entsprechendes Gesetz bereits ab 1. Jänner 2002 in Kraft treten. "Es ist mir ein großes Anliegen, dass dieses Karenzmodell von allen Seiten akzeptiert wird", betont Bartenstein.
Die Caritas hat in den Verhandlungen Wert gelegt auf einen "klaren Rechtsanspruch mit existenzieller Absicherung". Überdies brauche es auch eine Perspektive für danach. Dies bedeute ein Rückkehrrecht mit Kündigungsschutz, so Landau im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Denn Sterbebegleitung dürfe "nicht zum Privileg einiger weniger werden, bei dem sozial Schwache vor der Tür bleiben", verweist er darauf, dass er sich auch Karenzgeld erwarte und plädiert weiters dafür, das Modell so flexibel wie möglich zu gestalten. "Ich freue mich, wenn Bewegung in dieses Thema kommt und halte das für einen großen Fortschritt", betonte Landau abschließend.
Die Parlamentsparteien wieder planen einen Entschließungsantrag zur Sterbebegleitung, wobei noch nicht klar ist, ob daraus ein Vier-Parteien-Antrag wird. Die Regierung wird darin aufgefordert,
1. dafür zu sorgen, dass Sozialversicherungsträger und Länder die Kosten für Hospizplätze übernehmen;
2. palliativmedizinische Leistungen aufzuwerten;
3. die Einrichtung eines Lehrstuhls für Palliativmedizin zu prüfen;
4. Karenzmöglichkeiten für betreuenden Angehörige zu prüfen.
Mit der letzten Forderung ist Bartenstein dem Hohen Haus schon zuvor gekommen.