Vor einem Jahr zogen Syriens Truppen aus dem Libanon ab. | Damaskus mischt in Beirut politisch weiter mit. | Beirut. Die Wagenkolonne des UNO-Sonderermittlers war gewaltig. Unter erheblichen Sicherheitsmaßnahmen überquerten Serge Brammertz und seine Entourage am Dienstagvormittag den libanesisch-syrischen Grenzübergang Masnaa, ehe sich der syrische Sicherheitsapparat des belgischen Besuchers annahm. Gut vierzehn Monate nach dem Mord an Libanons Expremierminister Rafik Hariri war Brammertz nach Damaskus gefahren, um den syrischen Präsidenten Bashar Assad zu möglichen Verwicklungen in das Attentat zu befragen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch pünktlich zum ersten Jahrestag des Abzugs syrischer Truppen aus dem Libanon steht Assads Regime wieder glänzend da. Ganz anders in den Wochen nach der Ermordung von "Mr. Lebanon", des Multimilliardärs rafik Hariri.
Tag für Tag während des kurzen "Beiruter Frühlings" der Demokratie sammelten sich Tausende Libanesen rund um den Märtyrerplatz im Zentrum der Hauptstadt, um den Abzug der damals noch 14.000 Soldaten starken syrischen Einheiten zu fordern. Da der internationale Druck immens war, gab Assad schnell nach - am 26. April 2005 wurden die letzten 300 syrischen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Rayak in der östlichen Bekaa-Ebene verabschiedet.
Das Ende einer Ära syrischer Militärvorherrschaft im Libanon, die der damalige libanesische Präsident Suleiman Frangie 1976, ein Jahr nach Beginn des Bürgerkriegs, selbst eingeleitet hatte: Um die drohende Niederlage der christlichen Milizen gegen muslimische und linksgerichtete palästinensische Milizen zu verhindern, bat er Assads Vater Hafez um die Entsendung syrischer Truppen.
Dreißig Jahre später ist die syrische Armeepräsenz auf libanesischem Boden zwar vorbei, doch der Einfluss der einstigen Protektoratsmacht scheint ungebrochen. Nicht zuletzt, weil das transatlantische Zweckbündnis aus Frankreich und den USA offenbar beendet ist, das bis zum Herbst 2005 im UNO-Sicherheitsrat einen scharfen Kurs gegen Assads Regime geführt hatte. "Wir stehen vor den Trümmer der amerikanisch-französischen Initative", klagte der libanesische Premierminister Fouad Siniora nach einem Treffen mit US-Präsident George Bush vorige Woche.
Selbst der hochrangigste syrische Verbündete im politischen System des Libanon, Präsident Emile Lahoud, konnte sich bis heute im Amt halten. Da sich die antisyrische Allianz um Ministerpräsident Fouad Siniora, Hariri-Sohn Saad und Jumblatt bislang nicht auf einen geeigneten Nachfolger einigen konnte, könnte auch die letzte Deadline ohne Konsequenzen für Lahoud verlaufen: Am Freitag soll bei einem so genannten "nationalen Dialog", dem auch prosyrische Politiker wie der Generalsekretär der schiitischen Hisbollah angehören, über eine mögliche Amtsenthebung entschieden werden.