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Bau in Bulgarien: "Legal, illegal - oder einfach egal"

Von Petra Medek

Wirtschaft

Schlechte Büros und Wohnungen. | Sofia hätte Platz für rund 15 Shoppingcenter. | Sofia. Nachholbedarf und Aufholprozess sind Begriffe, die man im Gespräch mit bulgarischen Immobilien-Experten sehr häufig zu hören bekommt. Die Wirtschaft des neuen EU-Mitgliedes brummt: Das Bruttoinlandsprodukt liegt im Schnitt der letzten Jahre bei rund 6 Prozent und soll auch heuer an die 6,2 Prozent wachsen. Und dennoch hat das Land noch einen langen Weg nach oben vor sich, wie Michael Angerer, Österreichs Handelsdelegierter in Bulgarien, betont.


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Sprichwörtlich im Aufbau ist die bulgarische Immobilienbranche. Ein sattes Drittel der Auslandsinvestitionen fließt bereits in diesen Sektor. Für Immobilientwickler ist in Bulgarien noch einiges zu holen: Die Renditen liegen hier bei etwa 8 Prozent. Zum Vergleich: In Tschechien betragen sie mittlerweile weniger als 6 Prozent.

Büros heiß begehrt

Doch es fehlt immer noch an allen Ecken und Enden - neue Gebäude sind Mangelware. So ist die Bürofläche Sofias derzeit viermal kleiner als jene Prags. Die Nachfrage nach Büros mit westlichem Standard übersteigt das Angebot um ein Vielfaches. "Sogar die Stadtverwaltung von Sofia sucht Büros, denn auch die öffentliche Hand hat weder Mittel für die Renovierung ihrer derzeitigen Gebäude noch für den Bau eines neues Komplexes", erzählt Sofias Stadtarchitekt Petar Dikov.

Verzweifelt gesucht werden auch Mehrzimmer-Wohnungen mit gehobenem Standard. Etwa ein Drittel der bestehenden Einheiten in Sofia sind im Kommunismus erbaute Kleinstwohnungen mit Zimmer und Küche, weiß Dikov. Die Sanierung von Wohnungen in Plattenbauten sei kostspielig und ziehe sich noch über viele Jahre hin, meint der Architekt.

Auch der Handel ist massiv im Aufbau. Nach einer ersten Bauwelle von Supermarktketten wie Metro oder Billa vor rund drei Jahren sind seit kurzem Shoppingcenter im Visier ausländischer Investoren. So baut etwa die Wiener Sparkassen Immobilien AG in Sofia einen Konsumtempel mit Büroareal westlichen Standards. Derzeit gibt es zwei Einkaufszentren in der Hauptstadt, Platz sei für bis zu 15, schätzen Experten.

Auch Hotels fehlen in Sofia in allen Kategorien, ein wesentlicher Grund dafür: Attraktive Grundstücke in Innenstadtlage sind kaum zu haben.

Korruption blüht

Ein weiterer Stolperstein für investitionswillige Unternehmen: Steht eine Liegenschaft zum Verkauf, ist Vorsicht geboten, denn oft sind die Eigentümerverhältnisse ungeklärt, warnt Angerer. Dass hier vieles nicht nach in westlichen Dimensionen läuft, weiß auch Österreichs Botschafter in Bulgarien, Karl Diem, zu erzählen. Die Bauordung ist aus seiner Sicht katastrophal. "Hier gibt es einen geläufigen Spruch: Wie wird in Bulgarien gebaut? Legal, illegal - oder einfach egal".

Korruption und völlige Intransparenz sind nach wie vor Gang und Gäbe. Laut der jüngsten Erhebung der NGO Transparency International rangiert Bulgarien in Sachen Korruption auf Platz 64 im weltweiten Vergleich von 180 Staaten. Auch von der EU gibt es Rüffel - Ende März 2008 müssen sowohl Bulgarien als auch Rumänien ihre Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung in Brüssel dokumentieren.

Eine wesentliche Rolle für die weitere Entwicklung des Landes wird der Einsatz der EU-Mittel spielen. Doch diese Gelder werden für den Aufbau des Landes nicht reichen, meint der Handelsdelegierte.

Für österreichische Unternehmen sieht er neben der Bauwirtschaft und auf dem Immobiliensektor auch im Handel und in der Logistik sowie im Bereich Umwelttechnologien und Entsorgungswirtschaft enormes Potenzial. Denn es gebe eine große Zahl bulgarischer Städte mit über 10.000 Einwohnern, die keine Kläranlage haben; Sofia hat nicht einmal eine eigene Müllsortierung.