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Bauchtanz - Harmonie von Körper und Seele

Von Petra Rosenberger

Reflexionen

"Tanz ist die Umwandlung von Energie in Schönheit." | (André Levinson) | Es ist endlich soweit. Der heiß ersehnte Frühling zieht ins Land und schon werden wir von allen Seiten mit magersüchtigen Models und ihren ach so tollen Frühjahrsdiäten konfrontiert. Ich zähle mich hingegen stolz zu den Frauen, denen beim Anblick so mancher spindeldürrer Gestalten der kalte Schauer über den Rücken läuft.


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Doch seitdem ich erst kürzlich einen "Bollywood"-Film mit orientalischen Tanzszenen gesehen habe, ist mir wieder einmal klar: für eine feminin-erotische Ausstrahlung bedarf es keiner Hungerkur, sondern vielmehr eines durchwegs positiven Körpergefühls. Und gerade der Orientalische Tanz vermittelt dies auf authentische Art und Weise. Ein wichtiger Aspekt in Zeiten wie diesen, wo Essstörungen und ein damit verbundenes gestörtes Körperbild immer häufiger diagnostiziert werden.

Die Wurzeln dieses mystischen Tanzes liegen in Fruchtbarkeits- und Geburtsritualen, bei denen Göttinnen und Götter angebetet wurden. Bewegungen wie Beckenrotationen imitierten dabei Geschlechtsakt oder Geburt. Auch bei Hochzeitszeremonien und an Feiertagen wurde der Bauchtanz schon immer als besonderes Ritual zelebriert. Die Ursprünge lassen sich mindestens bis zu den alten Ägyptern zurückverfolgen, wo der sich Tanz bis zur heutigen Zeit eine hohe Popularität bewahrt hat. Im Volksmund auch Bauchtanz genannt, existiert dieser, durch archäologische Funde dokumentiert, schon seit Tausenden von Jahren. Von Afrika aus verbreitete sich der Tanz über Asien bis nach Europa, wo er in Griechenland "Tsifteli" und in der Türkei "Göbek Dansi" genannt wurde. In einem interessanten historischen Dokument mokiert sich der deutsche Chronist Adam von Brehmen im elften Jahrhundert über Bauchtänzerinnen in Nordeuropa: "Diese Frauen repräsentieren mit ihren lasziven Bewegungen Überbleibsel heidnischer Kultur...". Somit stellt der Orientalische Tanz nicht nur eine Kunstform, sondern auch ein kulturelles Erbe dar, wobei Aspekte von Land und Leuten, Musik und Sprache gleichermaßen in den Tanz einfließen. Er wurde im Gegensatz zum Gesellschaftstanz nicht künstlich geschaffen, sondern ist Ausdruck des ursprünglichen Wissens der Frau um ihren Körper. Die Geschichte des Bauchtanzes steht somit vielmehr für die Geschichte der Frau.

Den Begriff "Bauchtanz" prägte der französische Schriftsteller Emile Zola, der ihn 1880 mit der prüden Einstellung des 19. Jahrhunderts beschrieb. Dabei übersetzte er nicht den ursprünglich arabischen Begriff "Raks Sharki", was im Deutschen "Tanz des Ostens" bedeutet, sondern beschrieb nur die offensichtlichen Bewegungen des Bauches. Der "danse du ventre" (dt. "Tanz des Bauches") war entstanden, obgleich dieser Begriff fälschlicherweise die Vielfalt des orientalischen Tanzes auf den Bauch beschränkt.

Eine Besonderheit dieses Tanzes ist, dass einzelne Körperteile isoliert voneinander bewegt werden. So bleibt zum Beispiel der Oberkörper ruhig und das Becken wird bewegt oder das Becken bleibt ruhig und Hände, Arme, Kopf oder Brust werden bewegt. Durch das Beherrschen dieser "Isolation" lernen die Tänzerinnen, bestimmte Muskelgruppen gezielt anzuspannen und loszulassen. Sie erreichen auf diesem Weg ein besseres Körpergefühl. Muskeln, deren Existenz man vorher nicht einmal erahnte, werden entdeckt. Durch das neu erworbene Selbstbewusstsein wird der eigene Körper auch mit so manchen Makeln akzeptiert und die Weiblichkeit intensiver ausgelebt.

Das rhythmische Zittern und Schütteln der Hüfte oder anderer Körperteile nennt man "Shimmy". Durch diese Bewegung werden als toller Nebeneffekt auf dem Bauchtanzkostüm angebrachte Metallverzierungen zum Klingen gebracht. Im Allgemeinen unterscheidet man den typisch ägyptischen Solotanz, bei dem die Bewegungen aus der Körpermitte entstehen, vom "Westlichen Tanzstil". Bei letzterem werden viele Hand- und Armbewegungen eingesetzt und die Bewegungen kommen meist aus den Beinen.

Marisa, Leiterin des Wiener Bauchtanzstudios "Asiram" erzählt: "Manchmal schicken Orthopäden Patientinnen mit Rückenschmerzen zu uns. Durch die weichen Bewegungen wird die Wirbelsäule mobilisiert, Blockierungen in Lendenwirbelsäule und Iliosakralgelenk gelöst und gleichzeitig die Haltung verbessert. Die Damen besuchen uns auch deshalb gerne, um sich in der Frauengruppe auszutauschen. Sie kommen angespannt und gehen entspannt..."

Auch zur Geburtsvorbereitung eignet sich der Bauchtanz hervorragend, indem sich die Körperwahrnehmung der werdenden Mütter verbessert und das Baby im Bauch sanft geschaukelt wird. Nach der Geburt wird beim Mutter-Kind-Tanz die gemeinsame Beziehung intensiviert.

Die Beckenbodenmuskulatur wird durch energetische Hüftbewegungen gestärkt. Dies dient wiederum der Prophylaxe bzw. Therapie von Harninkontinenz. Nebenbei unterstützen die trainierten Muskelgruppen auch ein erfülltes Sexualleben.

Der Bauchtanz kann unabhängig von Alter, Geschlecht und Kondition von jedermann ausgeübt werden. Das Interesse unter Männern ist in der Regel jedoch nur schwach vorhanden. Diese verstehen sich umso besser im passiven Beobachten... Für den Anfang reichen übrigens bequeme Gymnastikbekleidung und ein Hüfttuch. Kurse werden bereits in fast jedem Wiener Bezirk angeboten. Tauchen auch Sie ein in die Magie des wohl ältesten Tanzes der Menschheit - die Männer werden es Ihnen danken...

Literaturhinweise:

Wendy Buonaventura: Die Schlange vom Nil. Frauen und Tanz im Orient; Rogner&Bernhard,1990

Dietlinde Karkuth: Das Bauchtanzbuch; rororo, 1983

Kontakte:

www.asiram.com - 1. zertifiziertes Bauchtanzstudio, 1100 Wien, Landgutgasse 45; Tel.:0699/10327955

www.chiftetelli.at - Zentrum für Orientalischen Tanz, 1070 Wien, Neubaugasse 40A; Tel.:01/526 47 77

www.vhs.at - Die Wiener Volkshochschulen, Tel.:01/893 00 83