Am Freitag fand in Villach der Delegiertentag der österreichischen Rechtsanwälte statt. Tagungsthemen: das geplante Unternehmensstrafrecht und die Verfahrensbeschleunigung im Zivilprozess. Die "Wiener Zeitung" bat den Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) Gerhard Benn-Ibler zum Gespräch.
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Das neue Unternehmensstrafrecht (eigentlich: Verbandsverantwortlichkeitsgesetz), das die strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen begründet, stößt beim ÖRAK-Präsidenten auf wenig Gegenliebe. Österreich ist durch zahlreiche internationale Rechtsakte (EU, OECD, Europarat, UNO) zur Schaffung des Gesetzes verpflichtet. Wie die Umsetzung im Detail erfolgen soll, ist - auch nach Ende der Begutachtungsfrist im September - weiterhin strittig.
Die internationalen Vorgaben umsetzen, aber nicht über das Ziel hinausschießen, appelliert Benn-Ibler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" an den Gesetzgeber. Werde der Entwurf, so wie er jetzt ist, umgesetzt, drohten "gewisse Nachteile für den Wirtschaftsstandort Österreich". Auch könnten hohe Strafen gegen Unternehmen die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten gefährden. Für den Rechtsanwalt ist der Entwurf - "obwohl sich die Legisten im Justizministerium sehr intensiv damit auseinander gesetzt haben" - ein "Fremdkörper im österreichischen Strafrecht": "In unserem Rechtssystem sind nur physische Personen schuldfähig. Daher darf die Verantwortlichkeit nicht über das Strafrecht erfolgen." V.a. stößt sich Benn-Ibler daran, dass das Unternehmensstrafrecht nicht auf bestimmte Deliktstypen (Betrug, Bestechung oder Geldwäsche) beschränkt wird, sondern eine allgemeine strafrechtliche Verantwortlichkeit in den Gesetzesentwurf aufgenommen wurde.
Verfahren beschleunigen
Mit der "Beschleunigung des Zivilprozesses in Österreich und im benachbarten Ausland" befasste sich Univ.-Prof. Wolfgang Jelinek von der Uni Graz in seinem Vortrag. "Ein Prozess darf nicht länger dauern als es sachlich geboten ist", betonte Jelinek. "Er darf aber auch nicht zu Lasten des rechtlichen Gehörs und der Fairness verkürzt werden."
Eine zügige Verfahrensdurchführung setze das Vorhandensein einer voll funktionierenden, modernen Infrastruktur im Dienstleistungsunternehmen Justiz voraus, führte der Wissenschaftler aus. Zeitgemäße Kommunikationsmethoden seien dem Gerichtsalltag zu erschließen. Die Einführung der Vernehmung mit Bild- und Tonübertragung stehe unmittelbar bevor. Besonders wichtig sei die "ausreichende Ausstattung der Gerichte mit Personal".
"Von den Beschleunigungsnovellen darf man sich keine Wunder erwarten", sagte Jelinek, der dennoch die letzte Novelle des Zivilprozesses lobend hervorhob. "Unter dem Stichwort Beschleunigung ist auch das mit großer Sorgfalt vorbereitete neue Außerstreitgesetz zu nennen. Es will zügigen Verfahrensablauf, Schutz des rechtlichen Gehörs und Erzielung sachlich zutreffender Ergebnisse gewährleisten. Vieles spricht dafür, dass dieses Ziel erreicht werden wird."
Auch die Rechtsanwälte zeigten sich mit der jüngsten ZPO-Reform zufrieden: Benn-Ibler sprach sich dafür aus, die Novelle "in der Praxis jetzt zwei, drei Jahre wirken zu lassen". Weitere Änderungen mit dem Ziel einer Verfahrensbeschleunigung seien im Moment nicht sinnvoll. Der ÖRAK-Präsident erinnerte daran, "dass von jährlich 800.000 Zivilverfahren in Österreich 75 Prozent in einem Jahr abgewickelt werden". Die von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer geborene Idee, bei einer Verfahrensdauer von länger als einem Jahr Schadenersatzansprüche einzuräumen, ist aus Sicht von Benn-Ibler "kein Thema" mehr.
Beim Delegiertentag fehlten Justizministerin Karin Miklautsch und Landeshauptmann Jörg Haider - beide weilten im Ausland. Knapp 200 österreichische Juristen nahmen an der Tagung teil. n