Die EU ist entschlossen, die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Das haben die Staats- und Regierungschefs in der Abschlusserklärung zum Europäischen Rat von Sevilla festgehalten. Eine gemeinsame Grenzschutztruppe gibt es vorerst noch nicht. Die EU-Außengrenzen sollen aber durch verstärkte Koordination der Mitgliedstaaten besser geschützt werden. Sanktionen gegen Drittstaaten, die nicht mit der EU kooperieren wollen, wurden abgewendet. Die EU sagt den Ländern sogar finanzielle Hilfe zu.
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"Der legitime Wunsch, ein besseres Leben führen zu können, muss mit der Aufnahmekapazität der Union und ihrer Mitgliedstaaten vereinbar sein", halten die Staats- und Regierungschefs in den Schlussfolgerungen zum Europäischen Rat von Sevilla fest. "Nur eine Gesellschaft, die Migration verdaut", könne Sicherheit garantieren, betonte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach dem Ende der Beratungen. Zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung soll die Visumpflicht für Drittländer überprüft, ein System für die Visa-Identifizierung "möglichst bald" eingerichtet und Abkommen über die Rückübernahme von Flüchtlingen mit den betreffenden Ländern rascher abgeschlossen werden. Vor allem dem Menschenhandel haben die Staats- und Regierungschefs den Kampf angesagt und dazu einen Rahmenbeschluss gefasst. Ein "koordinierter und integrierter Schutz der Außengrenzen" soll schrittweise eingeführt werden. Noch vor Ende dieses Jahres soll es gemeinsame Aktionen an den Außengrenzen geben und ein Netz von zuständigen Verbindungsbeamten geschaffen werden. Innerhalb eines Jahres, also bis zum Juni 2003, ist die Festlegung eines gemeinsamen Grundstocks für die Grenzschutzausbildung sowie die Zusammenstellung der europäischen Grenzschutzvorschriften geplant. Während sich Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits eine gemeinsame Grenzschutzpolizei wünschte, lehnten das einige kleinere Mitgliedstaaten, darunter Österreich und Schweden, ab.
Von der Drohgebärde . . .
Stark verwässert wurde das ursprüngliche - vorrangig von Italien, Großbritannien, Spanien und auch Österreich propagierte - Vorhaben, nicht kooperationswillige Drittstaaten (Herkunfts- oder Transitländer der Flüchtlinge) finanziell zu sanktionieren. Vielmehr erinnert die EU nun daran, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern, die Entwicklung des Handels, Entwicklungshilfe und Konfliktverhütung "Mittel darstellen, die den wirtschaftlichen Wohlstand der betreffenden Länder fördern und dadurch die den Migrationsströmen zugrunde liegenden Ursachen verringern". Die EU sagt den Drittstaaten bei Schutz und Kontrolle der Grenzen sowie bei der Rückübernahme technische und finanzielle Unterstützung zu. Länder, die nicht zur Kooperation bereit sind, sollen systematisch evaluiert werden. Allfällige Maßnahmen deutet die EU nur an, ohne sie näher zu definieren: Die unzureichende Zusammenarbeit "könnte einer Intensivierung der Beziehungen zwischen dem betreffenden Land und der Union abträglich sein", heißt es in den Schlussfolgerungen.
. . . zum Kompromiss
"Ich hätte mir bei den Sanktionen mehr gewünscht", sagte Deutschlands Kanzler Schröder nach dem Gipfel unverblümt. Letztlich "durchaus zufrieden" mit dem gefundenen Kompromiss gab sich hingegen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Es seien auch "positive Anreize" vorgesehen.
Deutlich schärfere Sanktionen wie die Suspendierung oder gar Kürzung von Entwicklungshilfemittel hat vor allem Frankreichs wiedererstarkter Staatspräsident Jacques Chirac verhindert. Auch Schweden lehnte Sanktionen ab; Außenministerin Anna Lindh wollte mehr den Kampf gegen die Armut in den Vordergrund gerückt wissen.
Die Grande Nation unterhält als einstige Kolonialmacht traditionell sehr enge Beziehungen zu afrikanischen Staaten. Flüchtlingsströme aus Afrika betreffen wiederum in erster Linie Spanien. Die Zuwanderung sei "positiv", wenn sie legal erfolge und die Zuströme kontrolliert würden; die EU habe ein "realistisches, ausgewogenes und umfassendes Maßnahmenpaket ohne Demagogie" geschnürt, resümierte Ratspräsident Aznar. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi beteuerte, Europa solle "keine Festung" werden. Auch Bundeskanzler Schüssel versicherte: "Wir bauen keine Festung Europa, sondern ein sicheres Haus Europa."