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Bauen wie Gott in Frankreich

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Handelsdelegierter Herbert Preclik: "Franzosen schätzen eine Beziehungskultur." Foto: AWO

Exportchancen bei Umwelttechnik, Passivhäusern oder alternativer Energie. | Markteintritt über Elsass bietet sich an. | Paris/Wien. Österreichs Unternehmen lassen einen der größten europäischen Märkte allzu oft links liegen: Frankreich ist Europas zweitgrößte Volkswirtschaft, steht auf der Liste der heimischen Exportmärkte bis dato aber nur auf Platz fünf - hinter Deutschland, Italien, der Schweiz und den USA.


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Mehr noch als ökonomische Gründe seien dafür kulturelle Vorurteile ausschlaggebend, vermutet der österreichische Handelsdelegierte in Paris, Herbert Preclik: "Die Sprache wird von vielen Österreichern fälschlicherweise als Hindernis gesehen. Dabei ist die französische Kultur äußerst beziehungsorientiert und steht der österreichischen Mentalität charakterlich nahe."

Näher als jener des großen französischen Konkurrenten und Verbündeten Deutschland. Die Franzosen wissen besonders persönliche Kontakte zu schätzen: Wer zum Telefonhörer greift und sich persönlich meldet, statt ein karges E-Mail zu verschicken, gewinnt Sympathie.

Der Erstkontakt mit Geschäftspartnern sollte tunlichst nicht bei sachlich-nüchternen Business-Meetings erfolgen: Franzosen schätzen es, wenn sich ihr Gegenüber Zeit für ein Essen und für anregende Debatten über Themen fernab des Geschäfts nimmt. Wer stur die Tagesordnungspunkte abhaken möchte, kann Aufträge so gut wie abschreiben.

Geringere Eintrittshürde

Geographisch können sich exportwillige Unternehmen den Schritt nach Frankreich erleichtern - mit der Eröffnung eines Büros im Elsass: Die Nähe und die Deutschkenntnisse der Bevölkerung nehmen die Schwellenangst. Die Region im Drei-Länder-Eck Deutschland-Schweiz-Frankreich wächst immer mehr zu einem grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum heran.

Genau diesen Weg hat auch KWB gewählt: Der in St. Margarethen an der Raab beheimatete Spezialist für Biomasseheizungen wagte vor rund drei Jahren den Schritt nach Frankreich - relativ spät. Schon in fünf Jahren könnte Frankreich allerdings Deutschland als wichtigsten Exportmarkt abgelöst haben: "Jetzt wird Heizen mit Pellets ein richtig heißes Thema", sagt Geschäftsführer Erwin Stubenschrott zur "Wiener Zeitung". KWB ist mit einer eigenen Tochter im elsässischen Colmar vertreten, hat aber bereits Aufträge, die bis zur Bretagne und bis nach Nizza reichen. KWB hat sich entschieden, den Markt ausschließlich über Installateure zu erschließen, die eigens für die aufwendige Installation der Pelletsheizungen geschult werden. Mittlerweile sind bereits mehr als 80 Vertriebspartner gefunden.

Der Handelsdelegierte Preclik bestätigt die großen Chancen, die sich im Umweltsektor bieten. Potenzial gibt es vor allem bei thermischer Sanierung, ökologischem Bauen, aber auch bei Photovoltaik oder Biomasse. Österreichs Firmen können mit ihrem Know-how bei Passivhäusern punkten. Der Bedarf ist groß: "Bisher haben die Franzosen gebaut wie vor 50 Jahren, Gebäude-Isolation war kein Thema", sagt Preclik. Ab 2012 sollen Neubauten nur noch mit hohen Vorgaben der Energieeffizienz entstehen.

Entgegen gängigen Vorurteilen ist Frankreich zudem nicht nur ein Land des Atomstroms - neuerdings werden auch alternative Energien und insbesondere Wasserkraft forciert.

Auf eine Trademark hat KWB in Frankreich allerdings vorsorglich verzichtet: In St. Margarethen ist die steirische Tracht als Firmenkleidung Vorschrift. "Da muss man die Kultur respektieren, das können wir den Kollegen im Elsass nicht zumuten", sagt Stubenschrott. Man habe sich um eine französische Übersetzung bemüht - diese sieht nun das Hemd und die Krawatte vor, auf den steirischen Janker wird verzichtet.