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Bauern auf sechs Beinen

Von Kerstin Viering

Wissen
Eine Blattschneiderameise (Atta laevigata) bei ihrer Arbeit - dem Blattschneiden.
© corbis

Vor allem Insekten sind als Viehzüchter und Pilzzüchter bekannt.


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Berlin. Traktoren und Zuchtbullen, Biogemüse und dekorative Gartenblumen - alljährlich Ende Jänner präsentiert die "Internationale Grüne Woche" in Berlin die neuesten Trends aus Landwirtschaft und Gartenbau. Zu besichtigen ist dort eine Art Leistungsschau des menschlichen Erfindergeistes: Nach Jahrtausenden der Tüftelei ist es dem Menschen doch ziemlich erfolgreich gelungen, Pflanzen und Tiere für seine eigenen Zwecke nutzbar zu machen. Lange galt er sogar als einzige Art, die das überhaupt geschafft hat. Doch es gibt durchaus auch Tiere mit einem Talent für Ackerbau und Viehzucht.

"Allerdings sind solche Aktivitäten im Tierreich sehr selten", sagt Ted Schultz vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C.. "Wir kennen nur wenige Tiergruppen, die Landwirtschaft betreiben." Erstaunlicherweise handelt es sich dabei nicht um die üblichen Verdächtigen aus unserer nächsten Verwandtschaft. Vom Hammer bis zur Zahnseide haben Affen zwar viele Erfindungen gemacht, die früher als typisch menschlich galten. In Sachen Landwirtschaft halten sie sich aber auffällig zurück.

Fische dagegen gelten nicht gerade als die Einsteins der Tierwelt. Und doch gibt es unter ihnen talentierte Gärtner, haben japanische Forscher um Hiroki Hata von der Universität Kyoto beobachtet. Die Riffbarsche der Art Stegastes nigricans leben in den Korallenriffen des Indopazifiks und fressen vor allem Rotalgen der Gattung Polysiphonia. Diese zarten Gewächse vertragen freilich keine zu starke Beweidung und werden zudem leicht von konkurrenzstärkeren Algen überwuchert. Also verteidigt jeder Riffbarsch ein Territorium, aus dem er andere Fische und Seeigel hinauswirft. Und damit sich auf seinen Beeten kein Unkraut breitmacht, rupft der schuppige Gärtner unerwünschte Algen aus, schwimmt ein Stück damit weg und lässt sie erst außerhalb seines Reviers fallen. Dank dieser Pflege gedeihen in den Fischterritorien üppige Teppiche aus Algenarten, die man anderenorts kaum findet.

Ein anderes Beispiel: Eine Schnecke namens Littoraria irrorata, die durch die Salzmarschen an der Südostküste der USA kriecht, hat eine besondere Vorliebe für bestimmte Pilze. Damit sie davon genug findet, hilft sie ein bisschen nach. Mit ihrer Raspelzunge bearbeitet sie immer wieder die Blätter der Schlickgräser, die in ihrem Lebensraum wachsen. In den so entstehenden Wunden können sich die Pilze offenbar besonders gut ansiedeln und vermehren. Zumal die Schnecken ihre Gärten auch noch mit ihrem stickstoffreichen Kot düngen. Zumindest die Grundzüge des erfolgreichen Gartenbaus beherrschen die Weichtiere also durchaus.

Noch talentiertere Landwirte haben Zoologen unter den Insekten entdeckt. So haben sich etliche Ameisenarten zu erfolgreichen Viehhaltern entwickelt. Ihre Herden bestehen aus Blattläusen, die eine zuckrige Lösung namens Honigtau ausscheiden. Manche Ameisen melken ihre Haustiere regelrecht, um an diesen Leckerbissen zu kommen. Im Gegenzug verteidigen sie ihre Schützlinge nicht nur gegen räuberische Marienkäfer und andere Feinde. Einige bringen ihr Vieh sogar eigens zu besonders fetten Weidegründen.

Schon seit 50 Millionen Jahren

"Für die Blattläuse hat es also durchaus seine Vorteile, auf einer solchen Farm zu leben", meint Tom Oliver vom Imperial College in London. Trotzdem müssen auch tierische Hirten ihr Vieh mitunter an der Flucht hindern. Und dazu haben sie allerlei Tricks auf Lager. Einen davon haben Oliver und seine Kollegen entdeckt, als sie Blattläuse über ein Löschblatt laufen ließen. Waren darauf zuvor schon Ameisen herumgewandert, bewegten sich die Tiere viel langsamer als auf einem frischen Papier. "Wir glauben, dass die Ameisen beruhigend wirkende Chemikalien in ihren Fußspuren nutzen, um eine große Blattlausherde in der Nähe ihres Nests zusammenzuhalten", sagt Oliver.

Raffinierte Methoden nutzen auch die auf Gartenbau spezialisierten Verwandten der krabbelnden Hirten. "Pilzzüchtende Ameisen sind die am besten untersuchten tierischen Landwirte überhaupt", weiß Ted Schultz, der das Ameisen-Labor des Washingtoner Naturkundemuseums leitet. Mehr als 230 Arten dieser sechsbeinigen Farmer leben vor allem in Mittel- und Südamerika. Und bei allen funktioniert nichts ohne ertragreiche Pilzgärten. Wenn eine junge Königin ein eigenes Volk gründen will, muss sie einen Pilzklumpen aus ihrem Heimatnest mitnehmen. "Den nutzt sie dann als Starterkultur für ihren neuen Garten", erläutert Schultz.

Um herauszufinden, wie sich diese ausgefeilte Form der tierischen Landwirtschaft entwickelt hat, haben die Forscher das Erbgut zahlreicher Arten verglichen und so den Stammbaum der Ameisen-Gärtner rekonstruiert. Demnach haben die ersten Ameisen schon vor etwa 50 Millionen Jahren das Geheimnis der Pilzzucht entdeckt. Diese frühen Landwirte sammelten wohl verrottetes organisches Material und kultivierten darauf eine Reihe von Pilzarten aus ihrer Umgebung. Manche Ameisen begnügen sich bis heute mit solchen relativ primitiven Anbaumethoden, andere nicht. Im Laufe der Jahrmillionen haben diese Insekten nicht nur spezielle Pilzlinien gezüchtet, die ihren Ansprüchen entgegenkommen. Sie haben auch gelernt, ihre Gärten immer raffinierter zu gestalten. "Den evolutionären Höhepunkt dieser Landwirtschaft haben die Blattschneiderameisen erreicht", meint Ted Schultz.

Pestizide gegen Unkraut

Diese Spezialisten unter den Pilzzüchtern sollen nach Schätzungen der Forscher vor acht bis zwölf Millionen Jahren entstanden sein. Bis heute sieht man die auffälligen Tiere oft in langen Kolonnen durch den tropischen Regenwald marschieren und Pflanzenstücke in ihr Nest schleppen. Die fressen sie aber nicht, sondern nutzen sie als eine Art Kompost. Arbeiterinnen kauen das Material kräftig durch, verteilen den Brei in ihren unterirdischen Gärten und pflanzen einen Pilz namens Attamyces bromatificus darauf. Dann wird das Ganze noch mit Kot gedüngt und auch spezielle Bakterien, die Stickstoff aus der Luft fixieren können, helfen der Kultur beim Gedeihen.

Einer guten Ernte steht nun nichts mehr im Weg. Außer dem Unkraut. Denn immer wieder machen sich in den Kulturen ungenießbare Pilzarten wie der Parasit Escovopsis breit. Beete kontrollieren und jäten sind daher auch für Ameisen-Gärtner wichtige Aufgaben. Mit ihren Mundwerkzeugen entfernen die Tiere nicht nur die fremden Pilze, sondern auch gleich das befallene Substrat. Sogar Pestizide kommen im Kampf gegen das Unkraut zum Einsatz, hat ein britisches Forscherteam um Matt Hutchings von der University of East Anglia in Norwich herausgefunden. Die Experten haben verschiedene Bakterienarten entdeckt, die den Ameisen eine ganze Palette von wirksamen Antibiotika gegen die unerwünschten Eindringlinge liefern.