Preisdumping, Überproduktion, Umweltauflagen - der EU-Fleischmarkt ist ein Schlachtfeld. Jetzt fürchten heimische Viehbauern noch mehr Billig-Steaks aus Lateinamerika.
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Die Landwirtschaft ist nur mehr ein Hobby. Das rentiert sich schon lange nicht mehr für mich", sagt Joachim Höllwieser zur "Wiener Zeitung". Er betreibt einen kleinen Bio-Bauernhof mit 15 Rindern in Niederösterreich. Trotz Bio-Boom und Klimakrise verdiene er immer weniger. Und zwar 250 Euro pro Jahr und Tier, wie er sagt. "Ich habe das Kalb um 950 Euro gekauft, es ein Jahr lang gefüttert und gepflegt und es um 1200 Euro weiterverkauft", erklärt er.
Im Durchschnitt isst der Österreicher 12 Kilo Rindfleisch pro Jahr. Zum Vergleich: Ein Einwohner Uruguays kommt auf 58 Kilo pro Jahr. Wenn das umstrittene Mercosur-Abkommen zwischen der EU und vier lateinamerikanischen Staaten in den kommenden drei Jahren in Kraft tritt, könnte er noch weniger verdienen, befürchtet Höllwieser. Denn: Lateinamerika ist der weltgrößte Rindfleischerzeuger. Massenproduzenten mit abertausenden Tieren warten darauf, möglichst viel und zollfrei in der EU abzusetzen. Da kann ein kleiner Bio-Betrieb mit 15 Tieren, zumindest preislich, schwer mithalten. "Schon jetzt bekommt man argentinisches Rinderfilet um 19 Euro pro Kilogramm", sagt der Landwirt. Heimisches Biofilet kostet rund 40 Euro pro Kilogramm. Die hohen Bio-Standards und Auflagen an Tierhaltung und Futter machen die Produktion hierzulande teuer.
EU-Kritik an Mercosur
Seit 1999 verhandelt die EU mit den südamerikanischen Staaten ein Handelsabkommen. Im Sommer hat sich die EU-Kommission mit der Gegenseite auf einen vorläufigen Entwurf geeinigt. Darin vorgesehen sind zum Beispiel Exportquoten für Rindfleisch von 99.000 Tonnen pro Jahr; Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hatte zunächst 400.000 Tonnen gefordert. Das ist immer noch zu viel, meinen heimische Landwirte.
In Österreich, aber auch in Frankreich, Irland, Belgien und Polen regt sich Widerstand gegen den Mercosur-Vertrag. Im September hat der Nationalrat mit Ausnahme der Neos ein Veto gegen das Abkommen fixiert und verpflichtet damit die zukünftige Regierung zu einem Nein auf EU-Ebene. Das Veto könnte aber auch wieder aufgehoben werden beziehungsweise das Abkommen trotz Einstimmigkeitsprinzip eingeschränkt in Kraft treten. Der Freihandelsvertrag gilt aber in beide Richtungen und findet auch Zustimmung. Vor allem Deutschland pocht auf ein baldiges Inkrafttreten. Die dortige Automobilindustrie wittert große Absatzchancen. Davon würden wiederum heimische Zulieferbetriebe profitieren, deren Hauptauftraggeber die großen deutschen Autohersteller sind. Die Öffnung für Babynahrung, Spirituosen und Oliven würde zudem den europäischen Landwirten zugute kommen.
Mit dem ersten Durchbruch im Sommer und der Klimakrise ist auch eine neue Chlorhuhn-Debatte aufgekeimt. In Südamerika sind die Umwelt- und Landwirtschaftsgesetze deutlich lascher als in der EU. Das brasilianische Tierschutzgesetz zum Beispiel stammt aus dem Jahr 1934 und enthält mehr Empfehlungen als Auflagen. In Übersee sind etwa Chlorbäder für Geflügel, das Verabreichen von Wachstumshormonen oder das Verfüttern von Antibiotika ohne der Genehmigung durch einen Tierarzt erlaubt. Das alles ist in der EU verboten.
Zwar betont die Kommission, dass nur Erzeugnisse importiert werden sollen, die auch den EU-Standards entsprechen, NGOs, Interessensvertreter und auch der Agrarausschuss des EU-Parlaments sind skeptisch, wie wirksam diese Kontrollen sein werden. Während sich die Verhandler seitens der Kommission zuversichtlich geben, drückt das Parlament bei Mercosur auf die Bremse. Zahlreiche EU-Abgeordnete haben sich gegen die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens ausgesprochen. Es untergrabe in weiten Teilen die ambitionierten Klimapläne von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament Sarah Wiener warf EU-Handelskommissar Phil Hogan vor, dieser übersehe die Tatsache, dass die Mehrheit der Abgeordneten das Abkommen ablehne. Während die EU-Kommission eine eher liberale Wirtschaftspolitik verfolgt, zeigt sie sich beim Thema Klimaschutz jüngst ambitionierter. Das Freihandelsabkommen mit Lateinamerika hat auch eine gewichtige Klimakomponente. Für den Anbau von Soja und für die Viehzucht werden große Flächen des Regenwaldes gerodet.
Die verheerenden Waldbrände im Amazonas im Sommer waren auch eine Folge der massiven Abholzung und Bewirtschaftung der Regenwälder. Klimaschützer und die indigene Bevölkerung fürchten eine noch größere Vernichtung dieses sensiblen und für das Weltklima wichtigen Öko-Systems durch das Abkommen. Brasiliens Präsident Bolsonaro, der selbst kein Freund der Klimadebatte ist, hat weitere Abholzungen und Lockerungen des Regenwaldschutzes angekündigt.
"Ein Kilo Rindfleisch aus Österreich hat einen CO2-Rucksack von 14 Kilogramm, ein Kilo südamerikanisches Rindfleisch verursacht hingegen 80 Kilogramm CO2-Emissionen. Diesen Unterschied zugunsten österreichischer Rinderbauern müssen wir wertschätzen, anstatt den Markt mit zusätzlichen Fleischimporten zu überfluten", sagt Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes. Er fordert etwa zusätzliche CO2-Zölle für den Import von Lebensmitteln aus dem EU-Ausland.
EU-Fleischmarkt unter Druck
Der EU-Fleischmarkt ist auch ohne Mercosur-Abkommen unter Druck. In ihrem "EU Agricultural Outlook 2018-2030" geht die EU-Kommission von einem Rückgang des Rind- und Schweinefleischkonsums in den kommenden Jahren aus. Lediglich bei Geflügel gebe es geringe Wachstumschancen. Und schon jetzt wird in vielen Ländern mehr Fleisch produziert, als es gewinnbringend abgesetzt werden könnte. Irische Rinderbauern erhalten zum Beispiel Prämien für die Verminderung der Fleischproduktion.
Trotz aller Kritik am Abkommen, hat die EU, zumindest wirtschaftlich gesehen, nicht sehr viel Verhandlungsspielraum. Denn China hat auch seine Fühler in diesen Wirtschaftsraum ausgestreckt und wittert gute Absatzmöglichkeiten vor allem im Technologiebereich.