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Bauern in der Großstadt

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die Großstadt Wien hat nicht nur urbane Einrichtungen zu bieten, auch die Landwirtschaft hat hier eine sehr lange Tradition. Dennoch arbeiten die 900 Landwirtschaftsbetriebe, die etwa 68 km² bewirtschaften, nahezu im Verborgenen. Im Vergleich zur städtischen Gesamtfläche von 415 km² sind die Anbauflächen gar nicht gering, doch Wiens Bauern fühlen sich von der Stadtplanung im Stich gelassen. Seit 1960 geben auch wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen pro Jahr durchschnittlich 40 Betriebe auf.


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"Ein großes Problem der Ackerbauern in Wien-Favoriten ist der geplante Bau der Südumfahrung", beklagt sich Wiener Landwirtschaftskammerrat und Ackerbauer Franz Windisch. Das Autobahnprojekt im Süden Wiens würde die Anbauflächen vieler Kollegen stark in Mitleidenschaft ziehen. Die Emissionen, befürchtet er, werden um ein Vielfaches steigen. Auch der projektierte Güterterminal in Inzersdorf werde zum großen Problem für die Wiener Landwirte ausarten. "Die Erreichbarkeit der Felder wird enorm erschwert," erklärt Windisch. Aber auch die Zu- und Abfahrten der Laster würden das ihrige zum Ansteigen der Schadstoffbelastung beitragen. Der Standesvertreter fordert deshalb für Wien ein eigenes Gütewegenetz, damit die Traktoren und Mähdrescher nicht länger angefeindete Hindernisse für den normalen Verkehr sind. Denn auch davon könnte das Überleben der Wiener Bauern abhängen.

Gemüsehauptstadt Wien

Wien kann man auch als Gemüsehauptstadt bezeichnen. Denn auf einer Fläche von 430 ha werden von 300 Gärtnern, das sind mehr als die Hälfte aller Gemüsezüchter Österreichs, Paradeiser, Salat, Paprika, Radieschen, Karfiol und Gurken großgezogen. Insgesamt werden hier mehr als 50.000 Tonnen Gemüse produziert, das entspricht etwa einem Drittel der in Wien verbrauchten Menge. Dazu muss allerdings ergänzt werden, dass die kalorienarmen Lebensmittel auf den heimischen Tellern mit einem Prozent im Jahresschnitt stark unterrepräsentiert sind.

Speziell für Wiens Gemüsebauern hat sich die finanzielle Lage mit dem Beitritt zur EU drastisch verschlechtert, weil sie relativ kleine Flächen besitzen. Deshalb muss "fabriksmäßig" produziert werden: Der Großteil der Kulturen wird in Glashäusern oder unter Folien mit hohem Kunstdüngereinsatz gezüchtet. Manches Gemüse hat in seinem Leben niemals Bodenkontakt gehabt, denn mittlerweile werden die Pflanzen auf Spezialmatten mittels Nährkonzentrat zum ertragreichen Sprießen angeregt. Die traditonellen Gemüsegärtner in der Simmeringer Haide und im Donaufeld werden immer stärker von der Stadterweiterung bedrängt.

Wirtschaftlich relativ gut geht es den 330 Weinbauern. Als einzige Großstadt der Welt beheimatet Wien über 700 ha Weingärten, deren Jahresertrag bis zu 2,5 Mill. Liter ausmacht. Die wirtschaftliche Grundlage von 140 Weinbauern ist vor allem die Direktvermarktung durch den Heurigenbetrieb. Aber auch dieser kämpft ums Überleben und muss mittels Imageoffensiven gestützt werden. Der Biolandbau spielt in Wien noch eine untergeordnete Rolle. Nur 10 Betriebe, also ein Prozent, setzen auf Bio. Die Wiener Stadtregierung hat sich zum Ziel gemacht, den Anteil in den nächsten Jahren zu heben.

"Landwirtschaft in Wien" Eine Ausstellung bis 31. 10. in der Wiener Planungswerkstatt: 1010 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 9