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Wien. "Ich wäre ein schlechter Verhandler, ginge ich mit einer endgültigen Position in eine Verhandlung." Das sagte Bauernbund-Präsident Jakob Auer nach der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses des Nationalrats. SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ einigten sich schließlich auf einen Kompromiss in der "Bienen-Frage". Die bienengefährdenden Neonicotinoide werden weitgehend, aber nicht gänzlich verboten.
Auer stand bei der doch noch zustandegekommenen Einigung im Mittelpunkt. Bis kurz vor der Sitzung ließ der ÖVP-Nationalratsabgeordnete ventilieren, dass er nur den EU-Beschluss umsetzen möchte. Weitergehende Einschränkungen seien wegen der einheitlichen Regelung in der Union nicht möglich – was zu einer heftigen Reaktion des Grünen-Agrarsprechers Wolfgang Pirklhuber führte. Er attestierte "Agitation des Bauernbundes zugunsten der chemischen Industrie". Denn nationale Maßnahmen könnten laut EU-Verordnung sehr wohl ergriffen werden, was auch der Pflanzenschutzmittel-Unterausschuss bestätigt habe.
"Anliegen ausgleichen"
"Auer war bei den Neonicotinoiden gesprächsbereit, gleichzeitig machten die Hardliner des niederösterreichischen Bauernbundes Druck gegen das Verbot", sagt Pirklhuber. Beim Bauernbund weist man auf Anfrage der "Wiener Zeitung" interne Dissonanzen zurück, erklärt aber: "Niederösterreich ist aufgrund der Ackerlastigkeit, insbesondere durch Mais- und Rapsanbaugebiete, von dem Pestizid-Verbot stärker betroffen als andere Regionen. Auer muss als Präsident aller Bauern deren Anliegen entsprechend ausgleichen."
Seit 1981 sitzt Jakob Auer für die ÖVP im Nationalrat. Der Landwirt, er betreibt mit Familie eine Schweinezucht, gilt als bestens vernetzt; so ist er unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Auer sei mit allen Wassern gewaschen, aber auch ein ernsthafter Verhandler, anerkennen selbst politische Kontrahenten. Zwei Jahre steht Auer mittlerweile an der Spitze des Bauernbundes. Der 64-Jährige löste damals den mehr als zehn Jahre jüngeren Fritz Grillitsch ab – der Bauernbund habe sich seitdem aber bewegt, viele früher verschleppte Themen würden nun angegangen, gesteht auch Pirklhuber zu.
In der Wahlkampf-Sackgasse
Trotz jahrzehntelanger parlamentarischer Routine und fachlicher Anerkennung manövrierte sich Auer zumindest kurzzeitig in eine Sackgasse. "Im Zweifelsfall für die Bienen", gab ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger bereits im Mai die Devise aus. Spätestens dann war klar, dass auch die Volkspartei das Verbot der Neonicotionide nicht infrage stellen würde. Im anstehenden Nationalratswahlkampf wäre eine Fortsetzung des Themas ohnehin Gift für die ÖVP gewesen, nachdem man bereits im Mai erst nach öffentlichem Druck eingelenkt hatte. Auers Blockade konnte also nicht gutgehen. Von der "Wiener Zeitung" befragte NGO-Vertreter können sich den Kurs des Bauernbund-Präsidenten jedenfalls nicht erklären.
Kommende Woche muss das Gesetz beschlossen werden, danach folgt die Sommerpause des Nationalrats. Der gebilligte Initiativantrag sieht vor, das auf zwei Jahre begrenzte Verbot von Neonicotinoiden durch die EU in Österreich um ein weiteres Jahr auszudehnen. Bereits im Mai kündigte die EU-Kommission die Beschränkung für die Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiametoxam an. Sie werden zur Behandlung von Pflanzen- und Getreidearten verwendet, die Bienen und andere bestäubende Insekten anziehen.
Verboten wird künftig auch das sogenannte "Totspritzen" von Getreide. Jene Abtötung durch Pflanzenschutzmittel vor der Ernte, um diese zu erleichtern, wird unmöglich gemacht, sofern es sich um Lebens- und Futtermittel handelt. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch für Umweltinitiativen und Grüne: Der nunmehrige Gesetzesentwurf sieht das Verbot von Winterweizen, -roggen, -dinkel und -triticale vor, aber nicht von Wintergerste.