Österreichs Bauern könnten fünf bis sieben Prozent verlieren. | Agrar-Experte ortet wenig Reformwillen. | Wien. Obwohl die aktuelle EU-Finanzperiode noch bis Ende 2013 läuft, gibt es jetzt schon Gespräche über die Zeit danach. Auch die Bauern sind davon betroffen und darum laufen bereits jetzt die Verhandlungen für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2014. Diese gestalten sich aber alles andere als einfach.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zum einen will EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski das Agrarbudget, das im Vorjahr an die 58 Milliarden Euro ausmachte, kürzen. Zum anderen wollen Nettozahler wie Großbritannien oder Deutschland weniger ins EU-Budget einzahlen. Gleichzeitig verlangen Vertreter der neuen EU-Länder mehr Geld für "ihre" Landwirte. Für die Bauern der alten EU-Länder hat das zur Folge, dass sie künftig mit weniger Geld auskommen müssen.
EU-Agrarpolitik in ihrer Legitimation geschwächt
Albert Deß, Berichterstatter für die Reform im Agrarausschuss der EU-Parlaments, rechnet damit, dass Österreich und Deutschland "fünf, sechs, sieben Prozent" verlieren werden. Auch Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich bestätigt, dass Kürzungen im Raum stehen. Ziel sei es, dass die "österreichischen Bauern nichts verlieren". Er räumt allerdings ein, dass dieses Ziel ein ehrgeiziges sei.
Probleme bei den GAP-Verhandlungen gibt es aber nicht nur wegen der angespannten Budgetsituation, sondern auch wegen der zwei Säulen, auf denen sie aufgebaut ist. Die erste Säule (Direktzahlungen) soll künftig "grüner" werden und daher gibt es Befürchtungen, dass einige Dinge der zweiten Säule (ländliche Entwicklung) künftig in der ersten unterkommen werden und so weniger Geld zur Verfügung steht.
Die erste Säule wird nämlich rein mit Mitteln aus der EU gespeist, während die zweite Säule auch Gelder der Nationalstaaten enthält. Da Österreich die zweite Säule unter Wolfgang Schüssel "gut ausgehandelt" habe, bestehe hier die Herausforderung, dass "das so bleibt", ist aus dem Landwirtschaftsministerium zu hören.
Das Beharren auf dem Status quo ist anscheinend aber kein rein österreichisches Phänomen und somit auch eines der zentralen Probleme der GAP. Die Reformen würden laut Markus Hofreither von der Universität für Bodenkultur (Boku) "eher darauf abzielen, am bestehenden Zustand möglichst wenig zu ändern, statt allgemein akzeptierte gesellschaftliche Ziele kosteneffizient zu erreichen."
Ein weiteres Problem sei, dass die bisherigen Reformen "nur wenig an der historischen Verteilungssituation ändern konnten, bei der etwa fünf Prozent der EU-Großbetriebe 50 Prozent der Stützungsmittel der ersten Säule erhalten". Dieses Vorgehen schwäche "die gesellschaftliche Legitimierung der GAP insgesamt", sagte Hofreither auf Anfrage der "Wiener Zeitung".
Zur Frage, welchen Herausforderungen sich die GAP nach 2013 zu stellen hat, meinte er, dass sie einen effizienten Beitrag zur Ernährung von etwa acht Milliarden Menschen bis 2020 zu leisten habe und gleichzeitig Probleme bei Artenschutz, Klimawandel und Gewässerschutz zu lösen seien. Strategien für den Umgang mit künftig volatileren und langfristig steigenden globalen Agrarpreisen sind nach Ansicht des Boku-Professors ebenfalls gefordert.
Über Obergrenzen wurde fast schon immer gesprochen
Bei den aktuellen Verhandlungen geht es aber nicht nur um die Verteilung der vorhandenen Mittel, sondern auch um die Einführung einer Obergrenze der Fördergelder. Landwirtschaftsminister Berlakovich hatte zuletzt 800.000 Euro genannt - einigen Experten, darunter Georg Häusler, Kabinettschef von Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos, ist das aber zu hoch. In der EU gebe es nur 3700 Betriebe, die mehr als 300.000 Euro bekommen. Das ist laut Häusler "immer noch zu viel. Eine Grenze muss schon in einem vernünftigen Rahmen gezogen werden, damit sie sinnvoll ist."
In der Vergangenheit verliefen diese Diskussionen allerdings im Sand. Boku-Professor Hofreither: "Obergrenzen für die Agrarförderungen wurden in fast allen GAP-Reformen der letzten 20 Jahren diskutiert, aber kaum politisch umgesetzt."